Autorin im Interview: Eva Woska-Nimmervoll

Vielleicht ist mein ambivalentes Verhältnis zum Gemeindebau ein Grund dafür, warum Heinz und Herrl dort leben. Das Soziale und das Assoziale liegen nirgends so nah beieinander wie in diesen Bauten, kommt mir vor.

Wer ist der Protagonist Ihrer Geschichte, Heinz oder sein Herrl?

Protagonist ist das Herrl, aus dessen Perspektive ich die Geschichte erzähle. Allerdings ist Hund Heinz die wichtigste Nebenfigur.

 

Was hat Sie dazu veranlasst, ihren Roman im Gemeindebau anzusiedeln? Wäre auch ein anderer Schauplatz denkbar gewesen?

Ich habe einen lieben Freund, der im Gemeindebau wohnt und ich bin dort schon oft zu Besuch gewesen. Vielleicht ist mein ambivalentes Verhältnis zum Gemeindebau ein Grund dafür, warum Heinz und Herrl dort leben. Das Soziale und das Assoziale liegen nirgends so nah beieinander wie in diesen Bauten, kommt mir vor. Der Hof eines Gemeindebaus kann eine ziemliche Enge erzeugen – und dort leben ohnehin bereits Menschen mit eingeschränktem Bewegungsradius: Viele haben keine Jobs und nur wenig Geld, d.h., sie haben keinen Grund, kein Auto und keine Mittel, um sich viel raus zu bewegen. Manchen fehlt eine Perspektive. Damit lohnt sich für sie die – geistige oder körperliche – Bewegung schon nicht mehr. Ein anderer Schauplatz hätte nicht diese Unausweichlichkeit der Begegnungen mit sich gebracht. Meine Figuren sind durch die räumlichen Gegebenheiten zur Konfrontation förmlich gezwungen. So gesehen war für mich kein anderer Schauplatz denkbar.

Jedenfalls würde in meinem Buch ohne Hund Heinz gar nichts passieren.

Sie vermischen in „Heinz und sein Herrl“ verschiedene Genres, welches ist für Sie vordergründig?

Schwer zu sagen. Krimi vielleicht. Äh, eigentlich die Liebesgeschichte. Oder doch die Milieu-Studie? Nein, de facto ist es eindeutig ein Entwicklungsroman. 🙂

Welche Rolle spielt der Hund Heinz im sonst eher trostlosen Gemeindebau-Alltag seines Herrls und wofür steht er in Ihrem Buch?

Man könnte glauben, der trostlose Gemeindebau-Alltag hat auf Heinz abgefärbt. Aber Hunde sind nicht so drauf. Wenn ein Hund ein Herrl hat, das sich um ihn kümmert, genügt dem Hund das. Dem Heinz sind ja andere Leute meistens egal. In Hunden steckt allerdings viel Potenzial, von dem die Hunde selbst nichts ahnen: Durch ihr Wesen schaffen sie Verbindungen zwischen Menschen. Der Hund schnuppert ja beispielsweise arglos an allem und jedem. Das sehen schon viele Leute als Grenzüberschreitung an. Andere mögen das und reden gerne mal mit fremden Hunden – und nehmen durch das Tier indirekt Kontakt mit Besitzer oder Besitzerin auf. Heinz ist für das Herrl unbewusst sicher auch so eine potenzielle Kontaktstelle zu Mitmenschen. Er redet sich auch immer, sogar vor sich selbst, auf den Hund aus, wenn er glaubt, sein eigenes Verhalten oder seine Gefühle rechtfertigen zu müssen. Wie sollte er sonst beispielsweise auf die Idee kommen, dass dem Heinz die U-Bahn unsympathisch ist?

– Ah, ich bemerke gerade, dass mein Roman doch eher ein Psychogramm ist. Jedenfalls würde in meinem Buch ohne Hund Heinz gar nichts passieren.