· … auch Bio-Bauern Pestizide versprühen? (1,2) In Österreich entfielen im Jahr 2020 43 Prozent der verkauften Menge an Pestizid-Wirkstoffen auf solche, die offiziell in der Bio-Landwirtschaft zugelassen sind. Bio-Bauern schützen die Ernten von Erdäpfeln, Weinreben, Obst und Gemüse vor Pilzkrankheiten und Insekten mit Hilfe spezieller Bio-Pestizide. Zu ihnen gehören das Schwermetall Kupfer oder der „Bienenkiller“ Spinosad.
· … die Hälfte der Menschheit ohne „Kunstdünger“ nicht am Leben wäre? (3) Das chemische Synthese-Verfahren, mit dem natürlicher Stickstoff aus der Luft in mineralischen Dünger umgewandelt wird, machte enorme Ertragssteigerungen möglich – vor allem seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Seinen beiden Erfindern, Fritz Haber und Carl Bosch, bescherte es je einen Nobelpreis. Wissenschaftler haben errechnet, dass annähernd jeder Zweite Erdenbewohner sein Leben dieser Erfindung verdankt.
· … dass wir Gentechnik längst auf unsren Tellern haben? (4) Weltweit sind mehrere tausend Pflanzensorten zugelassen, die auf zufälligen, mittels Radioaktivität oder chemischer Behandlung hervorgerufenen Mutationen beruhen. Das Verfahren nennt sich „Mutagenese“ und bei entsprechenden Pflanzen handelt es sich – laut einem Gerichtsentscheid des EuGHs von 2018 – um gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Da sie allerdings von den strengen Zulassungs- und Kennzeichnungsverpflichtungen „klassischer“ Gentechnik-Züchtungen ausgenommen sind, gibt es sie ganz legal auch mit Bio- oder „Ohne Gentechnik“-Label.
· … Moore für das Weltklima viel wertvoller sind als Wälder? (5,6) Obwohl Moore nur 3 Prozent der globalen Landfläche bedecken, speichern sie mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde zusammen – die auf rund 30 Prozent der Landflächen wachsen. Anders formuliert: Ein Hektar Moor speichert im globalen Durchschnitt 6-mal so viel Kohlenstoff wie ein Hektar Wald. Ihr Schutz vor Umwandlung zu Ackerflächen und ihre Wiederherstellung gehören zu den wichtigsten Maßnahmen des Klimaschutzes.
· … der Transport nur einen geringen Teil der Klimabilanz unserer Lebensmittel ausmacht? (7) Zwar spricht vieles für regional produzierte Lebensmittel, und mit dem Flugzeug gereiste Spargel oder Erdbeeren sollte man tatsächlich vermeiden. Aber dennoch wird die Auswirkung der Transportkilometer auf die Klimabilanz häufig stark überschätzt. Bei einem durchschnittlichen, innerhalb der EU verzehrten Lebensmittel, verursacht der Transport gerade einmal 6 Prozent der damit verbundenen Treibhausgase. Viel mehr steuern Landnutzung oder die Verwendung von Düngern bei. Die Art des Lebensmittels (z.B. Fleisch oder Hülsenfrüchte) ist für das Klima daher wesentlich entscheidender als die Reise, die es möglicherweise hinter sich hat.
· … die Zahl der Honigbienenvölker stetig wächst? (8) Honigbienen gehören laut Experten zu den am wenigsten bedrohten Arten der Welt. Der Grund: es handelt sich um Nutztiere, die von den Imkern umsorgt und über den Winter gefüttert werden. 426.000 Bienenvölker gab es in Österreich im Jahr 2020, am Tiefstand 2006 waren es etwas mehr als 310.000. Auch global betrachtet spricht die Statistik der FAO eine eindeutige Sprache: Die Zahl der Bienenstöcke hat sich seit Beginn der 1960-er Jahre bis heute annähernd verdoppelt. Anders bei den Wildbienen. Hier gibt es starke Hinweise auf eine Bedrohung durch Lebensraumverlust, Nahrungsmangel und andere Umweltprobleme.
· … Koffein rund 13-mal giftiger ist als Glyphosat? (9) Koffein ist ein natürliches Pestizid und Nervengift, das der Kaffeestrauch in seinen Samen einlagert. Frisst ein Insekt am frischen Kaffeekeimling, wird es durch Koffein gelähmt oder getötet. Der so genannte LD50-Wert, ein Maß für die akute Giftigkeit, beträgt für Koffein 368 mg/kg Körpergewicht, für Glyphosat 4870 mg/kg. Das bedeutet, dass die Dosis, die im Tierversuch 50 Prozent der Tiere tötet, bei Glyphosat 13-mal größer ist als bei Koffein.
· … mehr als 150 Nobelpreisträger Greenpeace ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorwerfen? (10) Im Jahr 2016 wandten sich 158 lebende Nobelpreisträger in einem offenen Brief mit der dringlichen Aufforderung an Greenpeace, die Opposition gegenüber der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung aufzugeben. Gentechnik sei so sicher, wenn nicht sogar sicherer als herkömmliche Züchtung und helfe, Menschen nachhaltiger zu ernähren. Die Haltung von Greenpeace sei allein auf Gefühlen und Dogma begründet.
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1) Quelle: Grüner Bericht 2021, Seite 17
2) Vgl. etwa: Julius-Kühn-Institut, dt. Bundesforschungsinstitut f. Kulturpflanzen
3) Vgl.: ourworldindata.com: How many people does synthetic fertilizer feed?
4) Vgl. transgen.de: Wo ohne Gentechnik draufsteht, darf etwas Gentechnik drin sein
5) Quelle: Greifswald Moor Centrum, greifswaldmoor.de: Warum Moore so wichtig sind
6) Quelle: Vgl. Parish et al., 2008: Assessment on peatlands, biodiversity and climate change. Global Environment Centre, Kuala Lumpur and Wetlands International Wageningen, Seite 99
7) Vgl. ourworldindata.com: The carbon footprint of EU diets: where do emissions come from?
8) Quelle: BMLRT: Gesunde Bienen: Wieder mehr als 400.000 Bienenvölker
9) Quelle: GESTIS-Stoffdatenbank
10) Quelle: supportprecisionagriculture.org (2016): Laureates Letter Supporting Precision Agriculture (GMOs)