Fotogalerie: Buchliebling 2014

Am 9. September fand die 9. Buchliebling-Gala im Festsaal des Wiener Rathauses statt. Der Buchliebling in der Kategorie Belletristik wurde dieses Jahr an Niki Glattauer und Verena Hochleitner für ihr Buch ‘Mitteilungsheft: Leider hat Lukas …’ verliehen. Über diese Auszeichnung freuen wir uns sehr.

Copyright: Verlagsbüro Karl Schwarzer/APA-Fotoservice/Schedl

Autorin im Porträt: Angelika Hager

In einer Buchhandlung über Nacht eingeschlossen zu werden, wäre pures Vergnügen

Wenn ich ein Buchgenre wäre, dann wäre ich …
… nicht festzulegen. Ich möchte vor allem
meine Leser überraschen. Und mich selbst auch ein bisschen.

In einer Buchhandlung über Nacht eingeschlossen
zu werden, wäre …

… pures Vergnügen – endlich Zeit, sich durch
das Angebot zu surfen.

Unter uns gesagt: Niemand in meinem Umfeld würde
von mir denken, dass ich dieses Buch lese – und zwar mit Vergnügen:

Gustave Flauberts „Madame Bovary” – die
Geschichte eines weiblichen Befreiungskampfes im 19. Jahrhundert, geschrieben
in einem Stil, der einen niederknien lässt.

Dieses Buch rettet mich über eine schlimme
Grippe hinweg:

„Wie Barney es sieht” von Mordecai Richler.
Die Lebensbilanz eines „dirty old mans”, der oft die falsche Wegabbiegung genommen
hat. – voller Weisheit und Witz.

Könnten die Bücher in meinem Regal als meine
stillen Beobachter aus dem Nähkästchen plaudern, so würden sie mich wie folgt
beschreiben:

Chaotisch, anstrengend und etwas laut.

Macht euch niemals finanziell abhängig – egal wie viele Fortpflänze ihr in die Welt gesetzt habt

© Monika Saulich: Angelika Hager mit Ruth Westheimer

Welches Erfolgsrezept empfehlen Sie gegen Schreibblockaden?
Offene Rechnungen.

Wenn Sie plötzlich dazu gezwungen wären, eine
gänzlich andere Karriere einzuschlagen, welchen Weg würden Sie gehen?

Ich würde eine Theatertruppe gründen und
Lieblingsschauspieler mit Lieblingstexten durch die Lande ziehen lassen. Ich
bräuchte aber einen guten Manager, denn ich kann mit Geld überhaupt nicht
umgehen.

Aus welcher Richtung wird Ihnen mit
Ihrer Polemik „Schneewittchenfieber“ der schärfste Gegenwind entgegen schlagen?

Möglicherweise aus dem Lager der
traditionellen Feministinnen, die „Schneewittchenfieber” als Verrat an der
Frauenbewegung klassifizieren könnten.

Sie setzen sich seit vielen Jahren mit dem
Geschlechterdiskurs auseinander. Welche Emotionen weckt die derzeitige Diskussion
rund um das Binnen-I bei Ihnen?

Ich fand sie eigentlich
idiotisch. Die Gleichberechtigung hat so viele Baustellen offen, dass man sich
nicht mit solchen Formalismen-Debatten unnötig aufhalten sollte.

Welche Botschaft möchten Sie jungen Frauen von
heute mitgeben?

Macht euch niemals finanziell abhängig – egal wie viele
Fortpflänze ihr in die Welt gesetzt habt. Und habt den Mut, mittelmäßige Mütter zu sein.

Schneewittchen-Fieber ist ab 22. September im Buchhandel!

Fotogalerie: Karin Steger “Hättest halt kein Kind gekriegt”

„Hättest halt kein Kind gekriegt!“ Ein Satz wie ein
Hammerschlag, den so manche Frau schon gehört hat. Karin Steger präsentierte am
4. September ihr gleichnamiges Buch in der Buchhandlung Buchaktuell in Wien. In
Hättest halt kein Kind gekriegt!“ beschreibt die Autorin, wie sie als
erfolgreiche Radiomoderatorin und Alleinerzieherin kurz vor dem Zusammenbruch
stand und sich auf den Weg zu Autonomie, Geborgenheit und Lebensglück begab.
Die Vereinbarkeit von Kind und Karriere beschäftigte auch viele der Anwesenden
im Publikum, denen Karin Steger mit ihren Schilderungen aus dem Herzen sprach.

Autorenporträt: Hannes Etzlstorfer

Als Steinbock-Geborener bin ich jemand, der sich gerne mit ein und demselben Phänomen über Jahre beschäftigen kann, ohne dabei müde zu werden, daran Neues zu entdecken…


Mein
zuletzt gelesenes Buch:

Friedrich Torbergs Tante Jolesch –
und zwar in Hinblick auf mein jüngstes Ausstellungsprojekt „Koscher for…“ im
Jüdischen Museum Wien, das ich mit zwei wunderbaren KollegInnen kuratieren
durfte (ab Oktober). Torberg klingt als Lektüre für 2014 vielleicht nicht rasend
originell – aber bei jeder Wiederbegegnung entdeckt man eine neue Facette. Es geht uns, wie
schon Ludwig Feuerbach beobachtete, mit
Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekanntschaften, aber nur
wenige erwählen wir zu unseren Freunden
. Als Steinbock-Geborener bin ich jemand,
der sich gerne mit ein und demselben Phänomen über Jahre beschäftigen kann,
ohne dabei müde zu werden, daran Neues zu entdecken… Vielleicht liegt darin
auch der Grund, warum ich etwa jeden Sommer erneut zum Schluss komme, dass mir
nur mein Wiener Atelier samt angrenzendem Theresienbad, unser Domizil in
Neulengbach , einige Tage in Grado – und wenn es die sehr launige Fee der
Autoren, die scheue Honoraria (übrigens die eher hausbackene Schwester der
Fortuna) erlaubt, Barcelona, guttun … Bitte
das wieder streichen, denn es könnte meine Ehrenbürgerschaft in L. wie auch
meinen Stammplatz in der Konditorei L. gefährden, weil ich sie hier (noch) nicht
lobend erwähnt habe. Manche Orte würde ich ja eher tobend erwähnen, aber das
hilft mir jetzt auch nicht weiter…
Mein vorletztes Buch war übrigens
Brigitte Hamanns fundierte Rudolf-Monografie: Immer noch ein brillanter
Klassiker – und die vielleicht beste Handhabe für jemanden, der sich auf das
Himmelfahrtskommando eingelassen hat, das Kronprinz-Rudolf-Memorial in
Mayerling neu zu gestalten (wir eröffnen übrigens am 17. Oktober). 

Wenn ich den Rest meines Lebens nur mehr ein Buch lesen
könnte, wäre dies…

Unter den Favoriten wäre
sicherlich Stefan Zweigs Sternstunden der Menschheit. Diese historischen
Miniaturen gehören zu den eindrucksvollsten Beispielen dafür, wie man
Geschichte zum Funkeln bringen kann. Die berührende Episode über Händel („Georg
Friedrich Händels Auferstehung“) ist ihm als eine geniale Parabel auf den
künstlerischen Überlebenswillen gelungen. Wie sich der Komponist nach dem
Schlaganfall nochmals zu einem Oratorium – zum musikalischen Elementarereignis
des Messias – durchringt, ist derart eindringlich beschrieben, dass es mich
immer wieder zu berühren vermag.

Diese Bücher bringt man besser nicht in meine Nähe…
Lieblos gemachte Bücher sowie Propaganda-Bücher für politische und
religiöse Extreme halte ich von meiner Bibliothek fern. 

In dieser Buchhandlung kennt man mich persönlich…
Da ich in meiner Bibliothek mittlerweile auch die letzten Nischen mit
Büchern gefüllt habe und in dieser Buchstaben- und Bilderflut unterzugehen
drohe, bin ich weniger in den Buchhandlungen, denn in der großartigen
Österreichischen Nationalbibliothek anzutreffen. Schon von meinen Ausstellungen
im Prunksaal kenne und schätze ich dort die große Bücherfamilie – von der
unermüdlichen Generaldirektorin Dr. Rachinger bis hin zum faszinierenden
Restauratorenteam um Frau Mag. Hofmann. Ob das jetzt wie eine Ausrede klingt?
Hätte ich vielleicht doch besser schreiben sollen, dass mir beim Betreten der
Buchhandlung Frick auf der Kärntner Straße die Damen sofort mit Kaffee und meiner
Lieblingstorte (der Traunkirchnertorte) aufwarten, mir bei den
Buchpräsentationen die Brösel vom Hosenbein kehren und alle sechs Minuten
frisches Wasser auf den Tisch stellen und notfalls Claqueure einschleusen, die
bei den seltenen Pointen des Autors in Jauchzen und Bravo-Rufe ausbrechen? 

Mein Erfolgsrezept gegen
Bücherwürmer:

Kohlenstoffdisulfid, denn damit
kann der gekämmte Nagekäfer aus der Ordnung der Käfer Coleoptera bzw. der
Nagekäfer (Anobiidae) gestoppt werden. Oder war es anders gemeint? Warum dann „gegen“ Bücherwürmer? Der Vergleich
der Bibliophilen mit Bücherwürmen ist ja wenig vorteilhaft, da sich diese
Spezies im lichtscheuen Milieu aufhält, nichts von der Außenwelt mitkriegt und
dazu auch noch Schäden anrichtet. Da sind mir Büchernarren aller Altersstufen
viel lieber, die – vertieft in ein spannendes Buch – auch schon mal in der
U-Bahn übersehen, dass sie schon längst am Ziel vorbeigefahren sind – weil sie
eben gerade ein anderes Ziel vor Augen haben. Ist dieses Über-das-Ziel-hinaus-Schießen
nicht auch eine Form von Lebenskunst – im Sinne von Heinrich Böll, der die
Übertreibung als eine Definition von Kunst betrachtete?

Am Wiener Kongress hätte ich gerne bei den von Beethoven dirigierten Riesenkonzerten mitgesungen oder mich an den Leckerbissen bei der so üppigen wie exquisiten Tafel Metternichs delektiert.

© Hannes Etzlstorfer

Versetzen wir uns in die Zeit des Wiener Kongresses zurück: In die Rolle welches tragenden Akteurs wären Sie gerne geschlüpft?
Der russische Zar Alexander war ja ziemlich umtriebig und hat
sich bei der Redoute genauso amüsiert wie bei den derberen Volksfesten der
Wiener. Und wie er die Geheimpolizei des Herrn Metternich immer wieder
ausgetrickst hat, fasziniert mich noch heute – in Zeiten der NSA. Viel lieber
hätte ich wohl aber bei den von Beethoven dirigierten Riesenkonzerten mitgesungen
oder mich an den Leckerbissen bei der so üppigen wie exquisiten Tafel
Metternichs delektiert…

Angenommen, 2014/15 fände erneut ein Wiener Kongress statt. Worin
bestünden die größten Unterschiede im Rahmenprogramm?

Angesichts des
Staatshaushaltes ginge sich ein so opulentes Programm von September bis Juni
sowieso kaum aus… Der große Unterschied bestünde vor allem in der ungeheuren
Eleganz, mit der einst gefeiert, getanzt, getafelt – und charmiert –wurde,
gemäß Goethes Motto: Es ist gar nichts an einem Feste ohne wohlgeputzt vornehme
Gäste. Metternich hat ja persönlich immer penibel kontrolliert, ob auf der
Tafel das Tafelsilber und die Gläser korrekt angeordnet, geistreiche wiewohl
kunstvolle Tafelaufsätze gewählt oder superbe lukullische Menüs
zusammengestellt wurden und die Gäste in den richtigen Adjustierungen
erschienen… Die mediale Aufmerksamkeit seitens der Wiener wäre heute natürlich
ungleich höher – die Seitenblicke-Berichterstattung wäre aber schon 1814 zum
Primetime-Programm aufgestiegen. Die Gäste von damals haben viele künstlerische
wie auch frivole Programme absolviert – selbst Künstlerateliers wurden von den
hohen Gästen aufgesucht. Man stelle sich heute Präsident Putin beim Blitzbesuch
in Arnulf Rainers Atelier vor…

Der politische Machtkampf des Wiener Kongresses 1814/15 auf der einen
Seite und die zahlreichen Feierlichkeiten auf der anderen Seite – wie wichtig
waren diese Feste für die Diplomatie?
Mit diesem Reigen an Festen und sonstigen
Vergnügungen wurden die diplomatischen Gäste geradezu betäubt, womit auch ihre
starren politischen Haltungen nach und nachaufgeweicht werden sollten –was wohl
auch teilweise gelang. Heute klingt das ja trockener, wenn etwa auf höchster
politischer Ebene zum Arbeitsessen geladen wird. Metternich lud eben nicht nur
zum Arbeitsessen, sondern auch zum Arbeitstanzen, Arbeitstheaterbesuch… Nichts
sollte dem Zufall überlassen werden oder auf einem Nebenschauplatz der Gefahr
einer Eigendynamik ausgesetzt werden.

Schreiben ist für Sie schon lange kein „Neuland“ mehr. Ist diese
Tätigkeit inzwischen schon fest in Ihrem Alltag verankert oder bringt jedes
Buchprojekt immer noch neue Herausforderungen mit sich?

Beides: Natürlich ist das Schreiben schon fest in meinem Alltag
verankert – im Zuge meiner kunst- und kulturhistorischen Ausstellungstätigkeit
geht es vielfach um das „Be-texten“. Ein eigenständiges Buch funktioniert da
ganz anders, weil es nicht notwendigerweise der Dinglichkeit verpflichtet ist.
Bei historischen Themen sammle ich im Vorfeld Material, das mit den
historischen Zeitungsarchiven, die ja im digitalen Netz jetzt erst richtig
aufblühen, reichlich vorhanden ist. Und während dieser Phase ist es dann meist
ein emotionaler Auslöser, der mich an den PC fesselt und mich zwingt, diese
Bausteine und Momentaufnahmen in eine Ordnung zu bringen. Der Auslöser kann ein
unscheinbarer Fund am Flohmarkt sein, wenn ich etwa in einem reichlich
zerfledderten Buch aus Metternichs Tagen eine vergilbte Glückwunschkarte mit
gepressten Wiesenblumen oder die Reste eines Briefs finde, der „An die Köchin
und das Stubenmädchen Marie und Wetti bei Frau Marie Schleicher“ gerichtet ist,
und offensichtlich den beiden dienstbaren Geistern kein Recht auf einen
Familiennamen zubilligt… Mein Atelier gleicht ob dieser Funde immer mehr einer
Kunst- und Wunderkammer, in der viele Ausstellungs- und Buchideen entstanden
sind… Vor einer Woche wurde mir übrigens ein
ausgestopftes kleines Krokodil aus einem Nachlass geschenkt… und eine passende
Buchidee hätte ich auch schon parat, die mich zur letzten Frage führt.

In welchem gänzlich anderen Buchgenre würden Sie sich gerne einmal versuchen?
Ich würde gerne auch mal ein freches Kinderbuch
versuchen, das von verliebten Krokodilen, stotternden Prinzen und Feen mit
Kunsthüften handelt…

Der Wiener Kongress: Redouten, Karoussel & Köllnerwasser ist ab 25. August im Buchhandel erhältlich!

Autorenporträt: Joachim Reiber

Selbst ein Buch zu schreiben ist eine faszinierende Abenteuerreise (auch zu sich selbst)

‘Ein Buch ist ein
Spiegel’ – mein Leseverhalten sagt über mich aus:

Da Kremayr & Scheriau nicht
der Verlag von „Joseph und seine Brüder“ und anderer berühmter Wälzer ist, kann
ich es hier ja offen bekennen: Ich mag dicke Bücher nicht. Kann man daraus
schließen, dass ich eigentlich kein „Leser“ bin? Als „Leseratte“ hätte man mich
jedenfalls nie bezeichnen können. Aber Deutsch war mein Lieblingsfach, und das
musste ich dann auch unbedingt studieren. Warum? Weil mich die Arbeit mit und
an Texten immer fasziniert hat. Präzision und Brillanz einer einzelnen
Formulierung, das Leuchten einer Metapher, Sprachwitz, Rhythmus … Solche
Kostbarkeiten liebe ich, und wenn ich als Leser auf solche Fundstücke treffe,
lese ich einen Satz gerne auch zwei-, dreimal.

Nebenbemerkung: Allerdings hat
mir die Arbeit an „Duett zu dritt“ auch Glücksmomente mit echten Wälzern
geschenkt. Der Briefwechsel von Brahms und Clara Schumann (fast 1.300 Seiten)
oder die Tagebuch-Suiten von Alma Mahler (fast 900) – das waren echte
„Pageturner“ für mich.

Folgendes Buch habe ich (erkennbar) schon unzählige Male in Händen gehalten:
Die Antwort klingt nach
bildungsbürgerlichem Imponiergehabe, aber ich sage spontan: „Faust“. Irgendwie
war es berührend für mich, als ich die alte Ausgabe wieder aus dem Regal gefischt
habe: Ich hatte sie als Schüler anschaffen müssen (Kompliment an meine
Deutschlehrerin: Sie verlangte die kommentierte Ausgabe von Erich Trunz!), und
jetzt brauchte ich sie wieder, um ein Zitat nachzuschlagen. Die Lesespuren von
damals, die Bleistiftschichten aus Schul- und Studienzeiten: fast ein
„Urfaust“. Schön, ihn wieder getroffen zu haben.

In dieser Buchhandlung fühle ich
mich gut aufgehoben:

Auch da geht’s wohl um eine Art
Heimatgefühl: um ein Ankommen, um (geistig) aufzubrechen … Jedenfalls muss ich,
wenn ich in meiner schwäbischen Heimat bin, unbedingt in gewisse Buchhandlungen
gehen: zu Osiander in Tübingen oder in Biberach, zu Wittwer in Stuttgart. In
Wien habe ich über Jahrzehnte keine solchen Naheverhältnisse aufgebaut – in der
Innenstadt vermisse ich eine große Buchhandlung mit viel (Frei-)Raum. Eine sehr
kleine Buchhandlung in Klosterneuburg, wo ich jetzt zu Hause bin, hat mir’s
neuerdings angetan: „John’s Book Shop“. Der Inhaber, John Duran, ist jener Typ
Buchhändler, den man fragen kann: Welchen Roman sollte ich auf einer
Apulien-Reise lesen? Und der kommt dann mit Alberto Moravia daher …

Wenn ich zuhause keinen Platz
mehr für meine Bücher habe, dann …

stelle ich sie zu mir ins Büro –
das ohnehin schon ausschaut wie ein zweites Wohnzimmer. Wenn dort die Regale
übergehen, spendiere ich Einzelnes der Bibliothek des Musikvereins. Also: Entsorgung
mit beruhigtem Gewissen.

Selbst ein Buch zu schreiben ist …
eine faszinierende Abenteuerreise
(auch zu sich selbst)

Janáček war so besessen von seiner Liebes- und Sehnsuchtsfantasie, dass er keinen Rat hätte hören wollen. Und meinen schon gar nicht.

© Julia Wesely

Welche Voraussetzungen müssen für
Sie erfüllt sein, um sich auf das Schreiben einzustimmen?

Ruhe und Abgeschiedenheit. Auszeit.
Ortswechsel. Das ganze Buch wurde in Klausur geschrieben – für jedes der sieben
Kapitel war es je eine. Fast nach dem Mahler’schen „Komponierhäuschen“-Modell
habe ich mir ganz einfache Häuschen in der Steiermark gemietet, um dann in einem
Zug zu schreiben, und das in meinem eigenen Rhythmus: sehr früh raus,
vielleicht noch vor dem Frühstück zwei Stunden vor dem Laptop, das meiste am
Vormittag schaffen, und fürs in Gang-Kommen und Im-Fluss-Halten: Laufen und
steirisches Thermalwasser.

Wie entstand die Idee,
Komponisten im Beziehungsdreieck zu porträtieren?

Angefangen hat es mit meinem
Nachbarn Johannes Brahms. Tatsächlich lebe und arbeite ich schon seit mehr als
20 Jahren Tür an Tür mit ihm: seine Bibliothek (inzwischen
Unesco-Weltkulturerbe) steht im Archiv des Musikvereins, 20 Luftmeter von
meinem Arbeitsplatz entfernt. Auch wenn ich sie nicht sehe, „spüre“ ich sie. 2010,
im Schumann-Jahr, wurde es besonders deutlich für mich: durch ein Blumenalbum, das
sich hier ebenfalls erhalten hat. Clara Schumann hat es dem jungen Brahms einst
geschenkt. Er ist das zarte Zeugnis einer Liebe, die sich nicht Liebe nennen
durfte. Darüber schrieb ich einen Text für unser Magazin „Musikfreunde“. Und
daraus ist dann langsam die Idee entstanden, nicht bloß
dem Dreieck Brahms/Clara/Robert nachzugehen, sondern die Dreiecksfigur in
mehreren Musik-Geschichten aufzuspüren.

Welche der im Buch erwähnten
Dreiecksgeschichten hat Sie persönlich bewegt?

Ein persönliches Bewegt-Sein,
denke ich, ist immer vorhanden, in jeder der sieben Geschichten – auch wenn der
Blick schärfer wird wie bei Wagner oder Mahler, deren Beziehungsdramen auch
voll sind von Haarsträubendem (auch das Haarsträubende ist schließlich „Bewegung“).
Emotional tiefbewegt bin ich von der Brahms-Schumann-Geschichte – und die
kristallisiert sich in einer unglaublich berührenden Szene: Nach Jahren des
Getrenntseins besucht Clara ihren sterbenden Mann in der psychiatrischen
Anstalt, Johannes begleitet sie. Mir scheint, als wäre das eine Schlüsselszene
für vieles, jedenfalls für den „ganzen“ Brahms und seine Musik. Einen ganz
tiefen Sog hat auch die Geschichte von Mendelssohn und Jenny Lind entwickelt,
die in diesem Buch zum ersten Mal so erzählt wird … Sie hat mich vielleicht am
allermeisten ergriffen. In ihr steckt eine der irritierendsten Wahrheiten: dass
Glück nicht glücklich macht. Gegen die Sehnsucht gibt es keine Versicherung.

Stellen Sie sich vor, Sie wären
der beste Freund von Janáček und müssten ihm mit Rat in seiner
Dreiecksbeziehung zur Seite stehen. Was würden Sie ihm sagen?

In diese Verlegenheit wäre ich nicht
gekommen. Janáček war so besessen von seiner Liebes- und Sehnsuchtsfantasie,
dass er keinen Rat hätte hören wollen. Und meinen schon gar nicht. Da hätte ich
Glück gehabt. (Und er auch.)

Welches Buchprojekt liegt bereits
in Ihrer Schublade und wartet auf seine Umsetzung?

Da möchte ich fast mit einer
Anspielung auf Beethoven und seinen mysteriösen Brief an die „Unsterbliche
Geliebte“ antworten. Der lag im „geheimen Lädchen einer Cassette“. Und so
könnte es auch mit diesem Projekt sein. Es liegt im „geheimen Lädchen einer
Cassette“. Entdeckt habe ich es noch nicht.

Duett zu dritt ist ab 19. September im Buchhandel erhältlich!

Gewinnerin steht fest!

Wir gratulieren Bianca, der Gewinnerin unseres diesjährigen Sommergewinnspiels für ihr grandioses K&S-Reisefoto! Da uns die Entscheidung schwer gefallen ist, darf sich auch Birgit über einen kleinen Trostpreis für ihr Foto vom Urlaub auf den Bauernhof freuen.

Autorin im Porträt: Gudrun Harrer

Wenn ich ein Buchgenre wäre, wäre ich auf alle Fälle ein Roman, und zwar ein langer, komplizierter, mit vielen verschiedenen Erzählsträngen.

Auf meinem Nachtkästchen liegt folgendes Buch:
Auf meinem Nachtkästchen liegt kein Buch,
sondern Bücher. Gelesen werden in der Regel parallel ein Sachbuch und ein
Roman. Bei den Romanen ist es gerade, vielleicht wenig originell, Salingers
„The Catcher in the Rye“, das erste Mal wiedergelesen seit der Gymnasialzeit.
Ein Buch, dessen Wucht man als junger Mensch wahrscheinlich gar nicht richtig würdigen
kann, vor allem das Erscheinungsdatum 1951. Das Sachbuch, das ich gerade lese, ist
„The Great Syrian Revolt and the Rise of Arab Nationalism“ von Michael
Provence. Gehört zu einem Seminar,
das ich an der Uni halte. Und ja, bestimmt lese ich mehr auf Englisch als auf Deutsch,
natürlich vor allem Fachliteratur. 

Wenn ich ein Buchgenre wäre, wäre ich …
auf alle Fälle ein Roman, und zwar ein
langer, komplizierter, mit vielen verschiedenen Erzählsträngen. Das ist das
Ideal für jemanden, der mit Sachbüchern lebt.

Diese Bücher bringt man
besser nicht in meine Nähe:

Alles, was mit Esoterik zu tun hat. Ich
gehöre zur Anti-Coelho-Fraktion. Und Literatur von Aktivisten und
Politiklobbyisten, die so tun, als wären sie unabhängige Experten.

Ich wünschte, ich hätte dieses Buch geschrieben:
Da ich mir gar nicht vorstellen kann, wie
das ist, so gut zu schreiben, wie die von mir bewunderten Autoren, antworte ich
auf diese Frage so: einen Bestseller, der über Dezennien hält. Von den
Einnahmen würde ich leben und mir die Bücher von großen Autoren kaufen (und nie
wieder selbst eines schreiben).

In folgender Buchhandlung könnte ich
mich ohne Probleme 24 Stunden aufhalten:

In keiner, tut mir leid. Auch nicht 12 und
auch nicht 6 Stunden.

Fast nichts von dem, was in den vergangenen drei Jahren im Nahen Osten passiert ist, war vorhersehbar. Es wird so weitergehen.

© Manfred Weis

Sie sind in Österreich geboren und leben hier.
Was fasziniert Sie seit jeher so sehr am Nahen Osten?

Das Wort „fasziniert“ ist vielleicht nicht
ganz richtig, und auch nicht das „seit jeher“. Ich habe kein romantisches
Verhältnis zum Nahen Osten. Ich war zuerst an den Sprachen interessiert, habe
zu studieren begonnen, dann kam die Kultur und die Politik des Raums dazu – und
mit der Beschäftigung nach und nach die Befriedigung, die Hintergründe zu
wissen, Zusammenhänge zu begreifen und dadurch Ereignisse besser einordnen zu
können.

Für wie hilfreich oder hinderlich halten Sie Ihre
örtliche Distanz zum Geschehen bei Ihren Nahost-Analysen?

Für mich ist beides notwendig: Die Reisen,
damit man nicht den Kontakt mit der Realität in der Region verliert, und die
Distanzierung, der Schritt zurück vor dem Schreiben. Das ist besonders wichtig
bei der Beschreibung von Konfliktsituationen, die emotional sehr aufgeladen
sind. Das soll aber nicht heißen, dass für mich emotionale und parteiische
Bücher keine Daseinsberechtigung haben. Es sollte nur immer klar sein, was es
ist.


Gab es im Zuge Ihrer zahlreichen Recherchen
Situationen, in denen sie sich bedroht gefühlt haben?

Ich habe während des Bürgerkriegs Mitte der
1990er Jahre aus Algerien berichtet, das war ziemlich gefährlich. Die
bedrohlichste Zeit habe ich jedoch nicht als Journalistin, sondern als
österreichische Diplomatin erlebt, das war 2006 in Bagdad, während des
Ausbruchs des Bürgerkriegs. Seitdem weiß ich, was Raketenbeschuss bedeutet.
Eine war sehr knapp an meiner Behausung.

Wenn Sie nach Nahost-Prognosen für die kommenden
Monate gefragt werden, was antworten Sie?

Dass ich nicht im Prognosengeschäft tätig
bin. Spaß beiseite: Fast nichts von dem, was in den vergangenen drei Jahren
passiert ist, war vorhersehbar. Es wird so weitergehen.

Welche Fragen Ihrer LeserInnen wünschen Sie
sich?

Am schönsten sind natürlich Fragen, die mir
selbst beim Nachdenken helfen. Aber alle Fragen sind erlaubt und willkommen.

Nahöstlicher Irrgarten ist ab 1. September im Buchhandel erhältlich!

Autorenporträt: Alfred Komarek

Mein Leben mit Büchern hat was Symbiotisches.

Wenn
ich ein Buch wäre, dann wäre ich …

ein Notizbuch, alt, abgegriffen, fleckig,
fehlende Seiten, leere Seiten, die auf Inhalte warten, vollgeschriebene Seiten,
umgeschrieben, durchgestrichen, ergänzt, ausgebessert.

Dieses Buch ist mein schlimmster
Feind … 

das schon genannte Notizbuch, weil es mich in
seiner Unvollständigkeit, Widersprüchlichkeit und Offenheit nicht nur darstellt,
sondern auch in Frage stellt.

Meine Bücher sind am besten
aufgehoben …

dicht bei mir und tief in mir. Mein Leben mit
Büchern hat was Symbiotisches, man könnte auch von einem schlampigen,
leidenschaftlichen, hartnäckig insistierenden Verhältnis sprechen oder von
existenzieller Nähe und Abhängigkeit.

Mein Erfolgsrezept gegen Bücherwürmer:

Ich grüße sie brüderlich. Einem der ihren tun
sie nichts.

Diese Buchhandlung zähle ich zu meinen Nestern: 

Hartlieb in der Porzellangasse: zweites
Wohnzimmer gleich nebenan, bevölkert von Menschen, für die Bücher Lebensmittel
sind, beseelt von liebenswürdiger Kompetenz.

Schräge Vögel sollten fantastische Flieger sein, keine unbeholfenen Flatterer.

© János Kalmár

Warum sind Sie selbst ein „schräger Vogel“?
Ich zitiere mich selbst: ‘Zugegeben: es
ist eine Frechheit, mich in diese illustre Runde zu drängen. Dass es mir auch
noch diebisches Vergnügen bereitet, völlig ungetrübt von schlechtem Gewissen,
macht die Sache nicht besser. Aber so bin ich eben.’ In unserer
angepassten, in Raster gezwungenen Welt ist geflügelte Schrägheit ein
Ehrentitel.

Mit welchem „schrägen Vogel“ würden Sie gerne
ein paar Tage tauschen? 

Mit jedem von ihnen, aber es geht nicht. Sie
haben alle gemeinsam, dass sie nicht austauschbar sind, auch nicht
vorübergehend.

Welche Vorteile genießt man, wenn man ein Leben
abseits des Mainstreams führt und wo stoßen selbst „schräge Vögel“ an Grenzen?

Irgendwie geht es einfach immer um
Lebensfreude, um den lustvollen Umgang mit sich selbst und mit Menschen, die es
wert sind. Grenzen gibt es dort, wo für den eigenen Gewinn andere bezahlen
müssen.

Anhand welcher Kriterien erfolgte die Auswahl
der im Buch beschriebenen Personen?

‘Schräg’ als selbstverständliche
Haltung, nicht als Attitüde oder aufgeklebtes Etikett. Und: Schräge Vögel
sollten fantastische Flieger sein, keine unbeholfenen Flatterer.

Welche Pläne Ihrerseits gibt es, weitere
„schräge Vögel“ einzufangen?

Das Einfangen von schrägen Vögeln ist schwierig,
mühsam und zehrt an der eigenen Substanz. Gleichzeitig ist es mit großer Freude
und unbändigem Spaß verbunden. Genau so ambivalent sind meine Pläne.

Schräge Vögel ist ab 1. September im Buchhandel erhältlich!

Autorenporträt: Erhard Busek

Wer nur ein Bücherwurm ist, geht an den Wirklichkeiten vorüber. Ich empfehle aktives Engagement!

Wenn ich nur ein einziges Buch besitzen dürfte,
wäre das:

Diese Frage
beantworte ich nicht, weil ansonsten üblicherweise entweder die Bibel, Goethes
Faust oder natürlich der „Mann ohne Eigenschaften“ käme. Ich besitze sehr viel
Bücher.

Wenn ich ein Buchgenre wäre, dann wäre ich…
Ich
schwanke zwischen historischem Genre und natürlich den politischen
Wissenschaften. Geschichte halte ich für ungeheuer bedeutend, weil wir
natürlich auf den Schultern der Vergangenheit stehen und das Verstehen eben
dieser Vergangenheit eine ganz entscheidende Voraussetzung ist. Als Politiker
ist wohl die zweite Richtung mehr als verständlich …

Dieses Buch liegt schon ewig bei mir
zuhause, aber ich werde es wahrscheinlich nie lesen, weil:

Eine
Reihe von Büchern von Fernand Braudel liegen immer noch herum und verlangen
nach mehr Zeit und innerer Gelassenheit. Diese ist selten zu erwerben!

In dieser Buchhandlung halte ich mich gerne ein
Weilchen auf: 

Ich
schwanke zwischen Kuppitsch (Schottengasse) und Morawa. Die Begründung ist
einfach: einen Überblick gewinnen und daran verzweifeln, was man noch alles
lesen soll.

Gegen Bücherwürmer empfehle ich:
Wer
nur ein Bücherwurm ist, geht an den Wirklichkeiten vorüber. Ich empfehle
aktives Engagement!

Ich erwarte alle Arten von Reaktionen, von Zustimmung bis radikale Ablehnung, aber hoffentlich Reaktionen!

© Marc Haader

Welche Phase des Entstehungsprozesses eines
Buches kostet die meisten Nerven?

Ich hasse den Korrekturprozess,
insbesondere dann, wenn in mir Unzufriedenheit aufkommt, ob ich die mir
gesetzten Ziele auch erfüllt habe. Die zweite Phase ist dann jene, wo ich es
befreundeten Menschen zu lesen gebe und berechtigte Einwände kommen. Die dritte
Phase ist mit dem Verlag verbunden, weil die Bemerkungen des Verlagslektorats
meistens stimmen und ich mich über mich selbst ärgere.

Was hat Sie dazu bewogen „Lebensbilder“ zu
schreiben?

Ich werde dauernd
dazu gedrängt, Memoiren zu schreiben. Politikermemoiren, die ich gelesen habe, sind
meistens langweilig, Winston Churchill ist hier eine Ausnahme! Ich wollte nun
eine Mischung von Erzählungen, die mir wichtig erscheinen, und Bereichen, die
ich für bedeutend für die Zukunft halte, anführen.

Welche Emotionen weckte das Niederschreiben der
Erinnerungen?

Beim
Niederschreiben der Erinnerung war meine eigentliche Emotion, was soll berichtet
werden und was nicht.

Wenn Sie ausgestattet mit Ihrer heutigen
Lebenserfahrung noch einmal von vorne beginnen könnten, welche Entscheidungen
würden Sie heute anders treffen?

Da es unmöglich ist,
mit der Lebenserfahrung von heute nochmals von vorne zu beginnen, beantworte
ich die Frage nicht.

Welche Reaktionen erhoffen Sie sich auf Ihr Buch
Lebensbilder“?
Ich erwarte alle
Arten von Reaktionen, von Zustimmung bis radikale Ablehnung, aber hoffentlich
Reaktionen!

Lebensbilder ist ab 23. August im Buchhandel erhältlich!

Autorin im Porträt: Karin Steger

Schreiben bedeutet für mich Freisein

In diesem Buch finde ich mich wieder:
Georg lacht. Er sagt, ich solle ganz einfach
schreiben „in meinem eigenen“. Er sieht mich in meinem Dilemma, versteht, dass
ich mich schwerlich auf diese Frage einlassen will. Mich selbst definieren über
ein Buch?
Aber da fällt mir doch eines ein: „The
Opening“ von Lisa Biritz.
Ein Buch über ausgedehnte Reisen in
entlegene Gebiete, über das Verlassen ausgetretener Pfade, über Nächte unter
freiem Himmel und Tage von schwerer Krankheit. Über Begegnungen mit Walen und
Delfinen. Und über das Zusammentreffen mit ganz besonderen Menschen, die
manchmal zu Lehrerinnen und manchmal zu Freunden werden. Dieses Buch beschreibt
die persönlichen Meilensteine auf dem Weg einer neugierigen Frau. Lisa Biritz
erzählt von den Eckpunkten ihrer bisherigen Lebensreise, sie berichtet von den
wichtigsten Etappen ihres persönlichen und spirituellen Wachstums. Es ist ein
spannender und abenteuerlicher Bericht.
Das Lesen war bei mir immer wieder von
Herzklopfen begleitet, und tatsächlich hatte ich sehr oft das Gefühl, hier gerade
meine eigene Geschichte wiederzufinden.
P.S.: „The Opening“ ist bisher ausschließlich
in englischer Sprache erschienen. Es liest sich aber so selbstverständlich,
dass ich das die meiste Zeit über gar nicht bemerkt habe.

Wenn ich alle meine Bücher verschenken müsste
und nur ein einziges behalten dürfte, wäre dies …
Lieblingsbücher kommen und gehen. Aber Khalil Gibrans „Der Prophet“ begleitet mich nun doch schon sehr lange. Wenn ich alle meine Bücher verschenken
müsste und nur ein einziges behalten dürfte, dann würde ich mich ohne Zögern
für dieses Buch entscheiden. Das Lesen in diesem Buch, übrigens niemals
von vorne bis hinten, sondern immer nur in kleinen Portionen, ist für mich
Psychohygiene. Die einzelnen Kapitel mit Überschriften wie  „Von der Liebe“, „Von den Kindern“, „Von der
Arbeit“ oder „Von der Zeit“  erschließen
sich mir immer wieder neu. An unerwarteter Stelle finde ich immer wieder
Überraschungen, wie zum Beispiel den Satz „Arbeit  ist sichtbar gemachte Liebe“. Nach und nach ist er auf den Grund meiner
Seele gesunken, und hat mir von dort aus eine Neuorientierung ermöglicht.
Dieses Buch ist für mich wie ein kleines
Wunder im Taschenbuchformat. Auf einem Holzsteg in Kroatien, es riecht nach
Pinien und nach trocknenden Algen, unter mir gluckert das friedliche Meer, in
meinen Händen leuchtet der kleine weiße Band. Wenn ich hier wieder einmal in
die Texte von Khalil Gibran eintauche, geht das schnöde Denken samt seiner
normalen Begrenztheit für eine Weile auf Urlaub. Ich werde erinnert an meine
eigenen, an meine anderen Möglichkeiten.
Nach dem Lesen schließe ich die Augen.
Pause, Nichtstun.
Nur diese Texte auf mich wirken lassen. Es
gluckert.
Wenn ich alle meine Bücher aus irgendeinem
Grund verschenken müsste und nur ein einziges behalten dürfte, müsste ich also
nicht lange überlegen. Und falls ich doch noch ein zweites Buch mitnehmen
könnte? Hätte ich gerne Mira Lobes „Das kleine Ich-Bin-Ich“. 

Dieses Buch würde ich nicht einmal annehmen,
wenn ich 1 Mio. € dazu bekäme …

Die Million nehme ich an, und das Buch schenke
ich weiter. Ich hinterlege es demnächst in einem offenen Bücherschrank. Falls das leider nicht gilt, hätte ich noch
eine andere, und eine gar nicht so unähnliche Idee: Bitte, … würdet ihr mir auch eine Million
ausbezahlen als Entschädigung für die reichliche Menge an Buchstaben und
Bildern, die ich niemals hätte
annehmen wollen? Die aber trotzdem schon so oft über mich drübergeschwappt
sind? Als Werbungen, als sogenannte Nachrichten und als sonstige Fluten? Schmerzensgeld
für Lesen-Müssen. Sehen-Müssen. Hören-Müssen. Meine Gier wird angestachelt, ich
denke nach über eine angemessene Höhe. Ich spüre, wie meine Wangen erröten. Der
Geruch des schnellen Geldes kann so anregend sein!

Die Buchhandlung meines Vertrauens:
Die Buchhandlung meines Vertrauens befand sich
auf der Hütteldorferstraße im Wiener Stadtteil Breitensee. Sie war nicht nur
besonders gut sortiert, sie war vor allem auch ein Ort der freundschaftlichen
Begegnung. Von hier konnte man (außer Bücher) immer auch das Echo eines angeregten,
wohldosierten Gesprächs mitnehmen. Aber die Buchhandlung meines Vertrauens hat
irgendwann an einem Freitag gegen Ende eines Monats für immer zugesperrt.
Die Stimmung beim Abverkauf glich einem
Requiem. Die Buchhändlerin und der Buchhändler waren sichtlich getroffen, und
viele Stammkunden hätten liebend gerne geholfen, um das schöne Geschäft zu
erhalten. Warum? fragten sie, und Wieso? Können wir irgendwas tun? Die
Schließung hatte einen ganz banalen Grund: Das Geschäftslokal wurde teuer
verscherbelt. Der Eigentümer hat von seinem Eigentümerrecht Gebrauch gemacht,
und das ist ja bitte nichts Anrüchiges. Oder?
Vor kurzem aber hat mir das Glück
zugeflüstert, dass mein Buchhändler von damals jetzt doch wieder auffindbar
wäre. In Klosterneuburg, in der Buchhandlung am Hauptplatz. Falls das stimmt,
wird das vielleicht mein neuer Bücherort.

Ich wünschte, ICH hätte dieses Buch geschrieben:
Am allerbesten wäre natürlich ein echter Heuler.
Ein Gassenhauer. Ein Buch, dass in mindestens 20 Sprachen übersetzt worden ist,
und das sich seit Jahren, seit Jahrzehnten verkauft. Also: Coelho? Zum
Beispiel: „Der Alchimist“?
Bücher, die ich gerne geschrieben hätte,
gibt es viele.„Das sind wir unsern Kindern schuldig“ von
Jakob von Uexküll fällt mir als erstes ein, weil ich es erst kürzlich gelesen
habe. Der Autor, übrigens Begründer des alternativen Friedensnobelpreises, beeindruckt
mich mit seinem Wissen und seinem unaufgeregten Engagement. Er analysiert, wie
unser gegenwärtiges wirtschaftliches Ausbeutungssystem funktioniert, und beweist
dabei trotz allem immer wieder unerschütterlichen Optimismus. Er macht aber
auch unmissverständlich klar, was jetzt getan
und geändert werden muss, damit wir unseren Kindern eine lebenswerte Welt
hinterlassen können.
Oder: „Das Gras wachsen hören“ von Luisa
Francia. Schon wegen des schönen Titels! In diesem Buch geht es um feinste körperliche
Wahrnehmungen, und wie sie auch unsere spirituellen Fähigkeiten erwecken.
„Wenn alle Menschen Freunde wären“ von
Chuck Spezzano. Eine Punktlandung mitten in den Versöhnungszentralen der
Leserinnen und Leser.
„Was wir sind und was wir sein könnten“ von
Gerald Hüther, „Ein neurobiologischer Mutmacher“: Beginnt beim
Pantoffeltierchen und spannt sich mühelos bis zur Beantwortung der Frage, was
die Welt im Innersten zusammenhält.
Und dann noch: „Die Reise nach Hause“ von
Lee Caroll. Ein Buch zum Langsam-Lesen. Damit man sich nicht selbst überholt,
bevor man gut zu Hause ankommt.

Irgendwann ist mir klar geworden, dass dieser Satz mich nur deshalb so tief verletzen konnte, weil er in mir auf eine ähnliche Denkweise traf

Bitte beschreiben Sie das Gefühl, als Sie Ihr
Manuskript das erste Mal aus Ihren Händen gaben, um es einer weiteren Person
lesen zu lassen:

Ein einziger Mausklick, und das Mail samt
Manuskript würde unwiderruflich abgeschickt sein.
Natürlich war ich nervös. Ich war aufgeregt.
Und ängstlich wegen der erbetenen Kritik. Herzklopfen in den Ohren, feuchte
Hände über der Tastatur, und die Augen halten sich am Bildschirm fest. Wer ein
Buch schreiben will, muss den Text, der in einem selbst
begonnen hat und über lange Zeit auch dort endete, irgendwann mit der Welt
draußen verbinden.
Der Zeigefinger bekam von der Zentrale den
Befehl, und er führte ihn aus.
Klick!
Ich fühlte mich mutig und war stolz über
diesen wirklich großen Schritt. Nach sieben Jahren, in denen ich immer wieder
an diesem Text geschrieben hatte, würde nun zum allerersten Mal jemand anderer mein
Manuskript lesen. Ich hatte mir einen ganz besonderen Menschen dafür
ausgesucht: jemand mit Sprachgefühl und mit einem geübten Einschätzungsvermögen
für Texte, denn er war selbst Verleger. (Er würde aber nicht in die Verlegenheit
kommen, mein Buch anzunehmen oder abzulehnen, sein Verlag war ein sehr
spezieller Fachbuchverlag.) Mit diesem Freund hatte ich immer wieder schöne,
lange Gespräche geführt, und ich war mir ganz sicher, dass meine Geschichte bei
ihm als allerersten Leser und Kritiker wirklich gut aufgehoben sein würde.
Dass er außerdem ein paar hundert Kilometer
von meinem Wohnort entfernt lebte, machte mir diesen Mausklick noch um einiges
leichter. Wir würden einander nämlich niemals zufällig im Supermarkt begegnen.

Wie gehen Sie mit einer Schreibblockade um?
Verdammt,
… mir fällt gerade gar nichts ein! Dieser
Einstieg wäre aufgelegt.
Stimmt aber nicht. Schreibblockaden haben
sich vor mir bislang nicht aufgebaut. Schreiben (zumindest war das bisher so) geht
bei mir immer. Es bedeutet für mich Freisein. Die einzige und allerwichtigste
Voraussetzung dafür ist, dass ich mir ausreichend Zeit dafür einteilen muss. Diese
Klarheit muss ich für mich herstellen: Ich muss mir meine eigene Zeit für das
Schreiben freihalten. Als Zeit „nur für mich“.
Ich plane meine Schreibphasen als längere Termine
in meinem Kalender, möglichst an mehreren Tagen hintereinander, möglichst
gleich über ein paar Wochen. Sinnvollerweise plane ich jeweils etwa eineinhalb
Stunden mehr ein, als ich dann gerne schreiben würde, denn ein Teil dieser Zeit
wird ja doch immer noch von anderen Tätigkeiten aufgefressen.
E-Mails checken. Telefonieren. Wäsche aufhängen.
Küche zusammenräumen.
Das ideale Einstiegsritual ist bei mir eine
heiße Dusche, denn sie wirkt wie das Passieren einer Schleuse zwischen dem
Alltag und meiner Schreibwelt. Danach kann ich ganz einfach beginnen. Vier oder
fünf Stunden lang darf ich wirklich nur texten. Nachdenken, fühlen und formulieren,
ganz ohne Blockade.
Ich habe lange Zeit am allerliebsten mit
der Hand geschrieben. Über viele Jahre habe ich darauf beharrt; nur was aus
meiner Hand über die Feder und von dort aufs Papier fließen würde, das käme
wirklich und ursprünglich von mir. Irgendwann aber hat sich meine Schreibweise dann
eben doch verändert. Andere Handbewegungen prägen nun meine Schrift. Wenn ich
nachts im Dunklen halbschlafend einen Text weiterträume, dann zucken meine
Finger entsprechend der hämmernden Bewegungen über der Tastatur.
Ich schreibe also längst fast alles am
Computer, und genieße die größere Freiheit. Das allererste Schreiben eines
neuen Textes gleicht nun dem unbekümmerten Improvisieren am Klavier. Es ist nur für mich. Von da an wird das
Schreiben zu einem Annäherungsprozess. So oft ich will kann ich später meine Texte
überarbeiten, und mich an das annähern, was mir gerade am wichtigsten ist. Kein
Text wird übrigens jemals endgültig fertig sein. Und eine Kunst besteht darin,
es auch einmal gut sein zu lassen.

Was müsste passieren, damit Sie sagen könnten
„Mein Buch hat etwas bewirkt“?

Der Zeitwohlstand
wäre das wichtigste Kriterium.
Die Menschen verbringen wieder viel Zeit miteinander,
Kinder mit Eltern mit Freunden mit alten
Menschen mit Kindern.
Familie wird nicht mehr in erster Linie als
Versorgungsgemeinschaft definiert,
sie wird als wichtigster Beziehungsort verstanden.
Die Welt von morgen? Die Normalarbeitszeit
wurde für alle mit 30 Wochenstunden
begrenzt. (Die Arbeitslosenzahlen sind dadurch übrigens rapide gesunken!)
Eltern können, dürfen und sollen möglichst
bald normal arbeiten.
Familien werden zusätzlich finanziell
unterstützt, denn es ist selbstverständlich, dass Elternschaft keine
Armutsfalle bedeuten darf, und das gilt auch für Alleinerzieherinnen.
Soziale Arbeit genießt nun allerhöchstes
Ansehen. Ob innerhalb der Familie oder als bezahlter Beruf: Wer soziale Arbeit
verrichtet, wird besonders gewürdigt, und daher natürlich auch besonders gut
bezahlt.
Es gilt als anrüchig, zu viel Eigenkapital
anzuhäufen. Eine überwältigende Mehrheit hat sich mittlerweile für einen
anderen Weg entschieden: Kooperation und
das Gemeinsame Wohl stehen im
Vordergrund.

Wie reagieren Sie heute im Vergleich zu früher,
wenn Ihnen jemand „Hättest halt kein Kind gekriegt!“ an den Kopf wirft?

Wahrscheinlich doch mit etwas mehr Gelassenheit? Hoffentlich.
Früher
war dieser Satz für mich ja ein völliger K.O.-Schlag, und die
Auseinandersetzung mit dieser Kränkung
war für mich notwendig. Zum Glück kann ich sagen, dass sie mich ein Stück weitergebracht hat. Ich weiß
natürlich, dass in unserer Gesellschaft die Mechanismen, von denen dieser Satz erzählt, nach
wie vor bestehen. Meiner Ansicht nach bündeln sich in diesem Satz die Herausforderungen und die Brüche sehr vieler
weiblicher Biografien. Aber darüber immer weiter zu klagen? Das alleine
würde mich nicht glücklicher machen.
Irgendwann
ist mir klar geworden, dass dieser Satz mich nur deshalb so tief verletzen
konnte, weil er in mir auf eine ähnliche Denkweise traf.
Erst das Auffinden und Kennenlernen vom Kern dieses Satzes in meinen
eigenen Erfahrungen und Denkmustern hat mir ermöglicht, mich davon zu lösen. Und weiterzugehen.
Wenn heute jemand so etwas zu
mir sagen würde, würde mir wahrscheinlich ein zynisches
Lachen entkommen.

Welche Tipps würden Sie überforderten Eltern
geben?

Ich möchte ganz bestimmt nicht jemand sein,
der anderen Eltern irgendwelche Ratschläge erteilt. Unsere Lebenszusammenhänge
können so unterschiedlich sein, und es gibt ganz bestimmt sehr viele Wege zum
Glück. Das einzige, was ich in so einer Situation eigentlich immer richtig
finden würde, ist: die Überforderung nicht zu tabuisieren. Chronische Überforderung wird nämlich sehr
oft als persönliches Versagen erlebt. Das bringt betroffene Eltern häufig dazu,
ihre Notlage so lange wie möglich zu kaschieren.In den allermeisten Fällen ist die
Überforderung aber eine Folge von lebensfeindlichen Rahmenbedingungen. Das
allerwichtigste wäre für uns alle: Offenheit und Solidarität.
Und ja, ich habe jetzt doch noch zwei
konkretere Tipps: Erwerbsarbeitszeiten runter (es geht!). Und regelmäßige gemeinsame Aus-Zeiten für
Mama und Papa. Damit man sich immer wieder daran erinnert, warum man genau mit
diesem Mann und genau mit dieser Frau zusammenleben wollte.

Hättest halt kein Kind gekriegt! ist ab 29. August im Buchhandel erhältlich!