Schreiben bedeutet für mich Freisein
In diesem Buch finde ich mich wieder:
Georg lacht. Er sagt, ich solle ganz einfach
schreiben „in meinem eigenen“. Er sieht mich in meinem Dilemma, versteht, dass
ich mich schwerlich auf diese Frage einlassen will. Mich selbst definieren über
ein Buch?
Aber da fällt mir doch eines ein: „The
Opening“ von Lisa Biritz.
Ein Buch über ausgedehnte Reisen in
entlegene Gebiete, über das Verlassen ausgetretener Pfade, über Nächte unter
freiem Himmel und Tage von schwerer Krankheit. Über Begegnungen mit Walen und
Delfinen. Und über das Zusammentreffen mit ganz besonderen Menschen, die
manchmal zu Lehrerinnen und manchmal zu Freunden werden. Dieses Buch beschreibt
die persönlichen Meilensteine auf dem Weg einer neugierigen Frau. Lisa Biritz
erzählt von den Eckpunkten ihrer bisherigen Lebensreise, sie berichtet von den
wichtigsten Etappen ihres persönlichen und spirituellen Wachstums. Es ist ein
spannender und abenteuerlicher Bericht.
Das Lesen war bei mir immer wieder von
Herzklopfen begleitet, und tatsächlich hatte ich sehr oft das Gefühl, hier gerade
meine eigene Geschichte wiederzufinden.
P.S.: „The Opening“ ist bisher ausschließlich
in englischer Sprache erschienen. Es liest sich aber so selbstverständlich,
dass ich das die meiste Zeit über gar nicht bemerkt habe.
Wenn ich alle meine Bücher verschenken müsste
und nur ein einziges behalten dürfte, wäre dies …
Lieblingsbücher kommen und gehen. Aber Khalil Gibrans „Der Prophet“ begleitet mich nun doch schon sehr lange. Wenn ich alle meine Bücher verschenken
müsste und nur ein einziges behalten dürfte, dann würde ich mich ohne Zögern
für dieses Buch entscheiden. Das Lesen in diesem Buch, übrigens niemals
von vorne bis hinten, sondern immer nur in kleinen Portionen, ist für mich
Psychohygiene. Die einzelnen Kapitel mit Überschriften wie „Von der Liebe“, „Von den Kindern“, „Von der
Arbeit“ oder „Von der Zeit“ erschließen
sich mir immer wieder neu. An unerwarteter Stelle finde ich immer wieder
Überraschungen, wie zum Beispiel den Satz „Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe“. Nach und nach ist er auf den Grund meiner
Seele gesunken, und hat mir von dort aus eine Neuorientierung ermöglicht.
Dieses Buch ist für mich wie ein kleines
Wunder im Taschenbuchformat. Auf einem Holzsteg in Kroatien, es riecht nach
Pinien und nach trocknenden Algen, unter mir gluckert das friedliche Meer, in
meinen Händen leuchtet der kleine weiße Band. Wenn ich hier wieder einmal in
die Texte von Khalil Gibran eintauche, geht das schnöde Denken samt seiner
normalen Begrenztheit für eine Weile auf Urlaub. Ich werde erinnert an meine
eigenen, an meine anderen Möglichkeiten.
Nach dem Lesen schließe ich die Augen.
Pause, Nichtstun.
Nur diese Texte auf mich wirken lassen. Es
gluckert.
Wenn ich alle meine Bücher aus irgendeinem
Grund verschenken müsste und nur ein einziges behalten dürfte, müsste ich also
nicht lange überlegen. Und falls ich doch noch ein zweites Buch mitnehmen
könnte? Hätte ich gerne Mira Lobes „Das kleine Ich-Bin-Ich“.
Dieses Buch würde ich nicht einmal annehmen,
wenn ich 1 Mio. € dazu bekäme …
Die Million nehme ich an, und das Buch schenke
ich weiter. Ich hinterlege es demnächst in einem offenen Bücherschrank. Falls das leider nicht gilt, hätte ich noch
eine andere, und eine gar nicht so unähnliche Idee: Bitte, … würdet ihr mir auch eine Million
ausbezahlen als Entschädigung für die reichliche Menge an Buchstaben und
Bildern, die ich niemals hätte
annehmen wollen? Die aber trotzdem schon so oft über mich drübergeschwappt
sind? Als Werbungen, als sogenannte Nachrichten und als sonstige Fluten? Schmerzensgeld
für Lesen-Müssen. Sehen-Müssen. Hören-Müssen. Meine Gier wird angestachelt, ich
denke nach über eine angemessene Höhe. Ich spüre, wie meine Wangen erröten. Der
Geruch des schnellen Geldes kann so anregend sein!
Die Buchhandlung meines Vertrauens:
Die Buchhandlung meines Vertrauens befand sich
auf der Hütteldorferstraße im Wiener Stadtteil Breitensee. Sie war nicht nur
besonders gut sortiert, sie war vor allem auch ein Ort der freundschaftlichen
Begegnung. Von hier konnte man (außer Bücher) immer auch das Echo eines angeregten,
wohldosierten Gesprächs mitnehmen. Aber die Buchhandlung meines Vertrauens hat
irgendwann an einem Freitag gegen Ende eines Monats für immer zugesperrt.
Die Stimmung beim Abverkauf glich einem
Requiem. Die Buchhändlerin und der Buchhändler waren sichtlich getroffen, und
viele Stammkunden hätten liebend gerne geholfen, um das schöne Geschäft zu
erhalten. Warum? fragten sie, und Wieso? Können wir irgendwas tun? Die
Schließung hatte einen ganz banalen Grund: Das Geschäftslokal wurde teuer
verscherbelt. Der Eigentümer hat von seinem Eigentümerrecht Gebrauch gemacht,
und das ist ja bitte nichts Anrüchiges. Oder?
Vor kurzem aber hat mir das Glück
zugeflüstert, dass mein Buchhändler von damals jetzt doch wieder auffindbar
wäre. In Klosterneuburg, in der Buchhandlung am Hauptplatz. Falls das stimmt,
wird das vielleicht mein neuer Bücherort.
Ich wünschte, ICH hätte dieses Buch geschrieben:
Am allerbesten wäre natürlich ein echter Heuler.
Ein Gassenhauer. Ein Buch, dass in mindestens 20 Sprachen übersetzt worden ist,
und das sich seit Jahren, seit Jahrzehnten verkauft. Also: Coelho? Zum
Beispiel: „Der Alchimist“?
Bücher, die ich gerne geschrieben hätte,
gibt es viele.„Das sind wir unsern Kindern schuldig“ von
Jakob von Uexküll fällt mir als erstes ein, weil ich es erst kürzlich gelesen
habe. Der Autor, übrigens Begründer des alternativen Friedensnobelpreises, beeindruckt
mich mit seinem Wissen und seinem unaufgeregten Engagement. Er analysiert, wie
unser gegenwärtiges wirtschaftliches Ausbeutungssystem funktioniert, und beweist
dabei trotz allem immer wieder unerschütterlichen Optimismus. Er macht aber
auch unmissverständlich klar, was jetzt getan
und geändert werden muss, damit wir unseren Kindern eine lebenswerte Welt
hinterlassen können.
Oder: „Das Gras wachsen hören“ von Luisa
Francia. Schon wegen des schönen Titels! In diesem Buch geht es um feinste körperliche
Wahrnehmungen, und wie sie auch unsere spirituellen Fähigkeiten erwecken.
„Wenn alle Menschen Freunde wären“ von
Chuck Spezzano. Eine Punktlandung mitten in den Versöhnungszentralen der
Leserinnen und Leser.
„Was wir sind und was wir sein könnten“ von
Gerald Hüther, „Ein neurobiologischer Mutmacher“: Beginnt beim
Pantoffeltierchen und spannt sich mühelos bis zur Beantwortung der Frage, was
die Welt im Innersten zusammenhält.
Und dann noch: „Die Reise nach Hause“ von
Lee Caroll. Ein Buch zum Langsam-Lesen. Damit man sich nicht selbst überholt,
bevor man gut zu Hause ankommt.
Irgendwann ist mir klar geworden, dass dieser Satz mich nur deshalb so tief verletzen konnte, weil er in mir auf eine ähnliche Denkweise traf
Bitte beschreiben Sie das Gefühl, als Sie Ihr
Manuskript das erste Mal aus Ihren Händen gaben, um es einer weiteren Person
lesen zu lassen:
Ein einziger Mausklick, und das Mail samt
Manuskript würde unwiderruflich abgeschickt sein.
Natürlich war ich nervös. Ich war aufgeregt.
Und ängstlich wegen der erbetenen Kritik. Herzklopfen in den Ohren, feuchte
Hände über der Tastatur, und die Augen halten sich am Bildschirm fest. Wer ein
Buch schreiben will, muss den Text, der in einem selbst
begonnen hat und über lange Zeit auch dort endete, irgendwann mit der Welt
draußen verbinden.
Der Zeigefinger bekam von der Zentrale den
Befehl, und er führte ihn aus.
Klick!
Ich fühlte mich mutig und war stolz über
diesen wirklich großen Schritt. Nach sieben Jahren, in denen ich immer wieder
an diesem Text geschrieben hatte, würde nun zum allerersten Mal jemand anderer mein
Manuskript lesen. Ich hatte mir einen ganz besonderen Menschen dafür
ausgesucht: jemand mit Sprachgefühl und mit einem geübten Einschätzungsvermögen
für Texte, denn er war selbst Verleger. (Er würde aber nicht in die Verlegenheit
kommen, mein Buch anzunehmen oder abzulehnen, sein Verlag war ein sehr
spezieller Fachbuchverlag.) Mit diesem Freund hatte ich immer wieder schöne,
lange Gespräche geführt, und ich war mir ganz sicher, dass meine Geschichte bei
ihm als allerersten Leser und Kritiker wirklich gut aufgehoben sein würde.
Dass er außerdem ein paar hundert Kilometer
von meinem Wohnort entfernt lebte, machte mir diesen Mausklick noch um einiges
leichter. Wir würden einander nämlich niemals zufällig im Supermarkt begegnen.
Wie gehen Sie mit einer Schreibblockade um?
Verdammt,
… mir fällt gerade gar nichts ein! Dieser
Einstieg wäre aufgelegt.
Stimmt aber nicht. Schreibblockaden haben
sich vor mir bislang nicht aufgebaut. Schreiben (zumindest war das bisher so) geht
bei mir immer. Es bedeutet für mich Freisein. Die einzige und allerwichtigste
Voraussetzung dafür ist, dass ich mir ausreichend Zeit dafür einteilen muss. Diese
Klarheit muss ich für mich herstellen: Ich muss mir meine eigene Zeit für das
Schreiben freihalten. Als Zeit „nur für mich“.
Ich plane meine Schreibphasen als längere Termine
in meinem Kalender, möglichst an mehreren Tagen hintereinander, möglichst
gleich über ein paar Wochen. Sinnvollerweise plane ich jeweils etwa eineinhalb
Stunden mehr ein, als ich dann gerne schreiben würde, denn ein Teil dieser Zeit
wird ja doch immer noch von anderen Tätigkeiten aufgefressen.
E-Mails checken. Telefonieren. Wäsche aufhängen.
Küche zusammenräumen.
Das ideale Einstiegsritual ist bei mir eine
heiße Dusche, denn sie wirkt wie das Passieren einer Schleuse zwischen dem
Alltag und meiner Schreibwelt. Danach kann ich ganz einfach beginnen. Vier oder
fünf Stunden lang darf ich wirklich nur texten. Nachdenken, fühlen und formulieren,
ganz ohne Blockade.
Ich habe lange Zeit am allerliebsten mit
der Hand geschrieben. Über viele Jahre habe ich darauf beharrt; nur was aus
meiner Hand über die Feder und von dort aufs Papier fließen würde, das käme
wirklich und ursprünglich von mir. Irgendwann aber hat sich meine Schreibweise dann
eben doch verändert. Andere Handbewegungen prägen nun meine Schrift. Wenn ich
nachts im Dunklen halbschlafend einen Text weiterträume, dann zucken meine
Finger entsprechend der hämmernden Bewegungen über der Tastatur.
Ich schreibe also längst fast alles am
Computer, und genieße die größere Freiheit. Das allererste Schreiben eines
neuen Textes gleicht nun dem unbekümmerten Improvisieren am Klavier. Es ist nur für mich. Von da an wird das
Schreiben zu einem Annäherungsprozess. So oft ich will kann ich später meine Texte
überarbeiten, und mich an das annähern, was mir gerade am wichtigsten ist. Kein
Text wird übrigens jemals endgültig fertig sein. Und eine Kunst besteht darin,
es auch einmal gut sein zu lassen.
Was müsste passieren, damit Sie sagen könnten
„Mein Buch hat etwas bewirkt“?
Der Zeitwohlstand
wäre das wichtigste Kriterium.
Die Menschen verbringen wieder viel Zeit miteinander,
Kinder mit Eltern mit Freunden mit alten
Menschen mit Kindern.
Familie wird nicht mehr in erster Linie als
Versorgungsgemeinschaft definiert,
sie wird als wichtigster Beziehungsort verstanden.
Die Welt von morgen? Die Normalarbeitszeit
wurde für alle mit 30 Wochenstunden
begrenzt. (Die Arbeitslosenzahlen sind dadurch übrigens rapide gesunken!)
Eltern können, dürfen und sollen möglichst
bald normal arbeiten.
Familien werden zusätzlich finanziell
unterstützt, denn es ist selbstverständlich, dass Elternschaft keine
Armutsfalle bedeuten darf, und das gilt auch für Alleinerzieherinnen.
Soziale Arbeit genießt nun allerhöchstes
Ansehen. Ob innerhalb der Familie oder als bezahlter Beruf: Wer soziale Arbeit
verrichtet, wird besonders gewürdigt, und daher natürlich auch besonders gut
bezahlt.
Es gilt als anrüchig, zu viel Eigenkapital
anzuhäufen. Eine überwältigende Mehrheit hat sich mittlerweile für einen
anderen Weg entschieden: Kooperation und
das Gemeinsame Wohl stehen im
Vordergrund.
Wie reagieren Sie heute im Vergleich zu früher,
wenn Ihnen jemand „Hättest halt kein Kind gekriegt!“ an den Kopf wirft?
Wahrscheinlich doch mit etwas mehr Gelassenheit? Hoffentlich.
Früher
war dieser Satz für mich ja ein völliger K.O.-Schlag, und die
Auseinandersetzung mit dieser Kränkung
war für mich notwendig. Zum Glück kann ich sagen, dass sie mich ein Stück weitergebracht hat. Ich weiß
natürlich, dass in unserer Gesellschaft die Mechanismen, von denen dieser Satz erzählt, nach
wie vor bestehen. Meiner Ansicht nach bündeln sich in diesem Satz die Herausforderungen und die Brüche sehr vieler
weiblicher Biografien. Aber darüber immer weiter zu klagen? Das alleine
würde mich nicht glücklicher machen.
Irgendwann
ist mir klar geworden, dass dieser Satz mich nur deshalb so tief verletzen
konnte, weil er in mir auf eine ähnliche Denkweise traf.
Erst das Auffinden und Kennenlernen vom Kern dieses Satzes in meinen
eigenen Erfahrungen und Denkmustern hat mir ermöglicht, mich davon zu lösen. Und weiterzugehen.
Wenn heute jemand so etwas zu
mir sagen würde, würde mir wahrscheinlich ein zynisches
Lachen entkommen.
Welche Tipps würden Sie überforderten Eltern
geben?
Ich möchte ganz bestimmt nicht jemand sein,
der anderen Eltern irgendwelche Ratschläge erteilt. Unsere Lebenszusammenhänge
können so unterschiedlich sein, und es gibt ganz bestimmt sehr viele Wege zum
Glück. Das einzige, was ich in so einer Situation eigentlich immer richtig
finden würde, ist: die Überforderung nicht zu tabuisieren. Chronische Überforderung wird nämlich sehr
oft als persönliches Versagen erlebt. Das bringt betroffene Eltern häufig dazu,
ihre Notlage so lange wie möglich zu kaschieren.In den allermeisten Fällen ist die
Überforderung aber eine Folge von lebensfeindlichen Rahmenbedingungen. Das
allerwichtigste wäre für uns alle: Offenheit und Solidarität.
Und ja, ich habe jetzt doch noch zwei
konkretere Tipps: Erwerbsarbeitszeiten runter (es geht!). Und regelmäßige gemeinsame Aus-Zeiten für
Mama und Papa. Damit man sich immer wieder daran erinnert, warum man genau mit
diesem Mann und genau mit dieser Frau zusammenleben wollte.
Hättest halt kein Kind gekriegt! ist ab 29. August im Buchhandel erhältlich!