Frühjahrsprogramm 2023

 

Für das Frühjahr 2023 versammeln wir zuversichtliche, willensstarke Stimmen, denen wir unser vollstes Vertrauen schenken.
Und anstelle von “Das ist aber mutig!” rückt ein bestärkendes, klares “Das traust du dich.”

 

 

ÜBERMORGEN

 

Wir haben nur uns! Natascha Strobl zeigt uns „Solidarität“ als eine gemeinsame, antikapitalistische Klammer, einen kollektiven Wert, der individuelle Befindlichkeiten überwindet.

 

In „Armut“ schildert Daniela Brodesser (#ichbinArmutsbetroffen), welche Verwüstungen Armut hinterlässt und zeigt, was finanziell und menschlich geboten ist, um sie nicht zur Sackgasse für Betroffene werden zu lassen.

 

Wahlversprechen, Werbebotschaft oder Wundermittel gegen alle Widrigkeiten: Elodie Arpa stellt in „Freiheit“ einen strapazierten Begriff und damit gleich uns alle auf den Prüfstand.

 

 

SACHBUCH

 

Wut als Privileg? Amani Abuzahra zeichnet in „Ein Ort namens Wut“ eine emotionale Landkarte der Marginalisierten und zeigt, dass Wut für alle ein Kraftzentrum sein kann – wenn wir den Mut haben, es zuzulassen.

 

Mode ist Ausdruck individueller Haltung – doch was, wenn man sich für ein politisches Amt bewirbt? Daniel Kalt taucht in „Staat tragen“ ein in die Welt der modischen Message Control und erstellt einen augenzwinkernden Style-Guide der Macht.

 

Frauen im Rampenlicht verzeihen wir: nichts. Beate Hausbichler und Noura Maan fragen in „Geradegerückt“, was das soll – und rehabilitieren Whitney Houston, Britney Spears & Co.

 

Mit Witz und Neugier nähert sich Vera Steinhäuser in „die Macht Zentrale“ der weiblichen Seite der Macht und zeigt uns, wie wir im Job und privat uns selbst und andere Frauen empowern.

 

Margret Greiner erzählt in „Mäda & Mäda“ die packende Geschichte der von Gustav Klimt portraitierten Primavesi-Frauen zwischen Olmütz, Wien und Montréal – zwei Leben für die Kunst und die Wiener Werkstätte!

 

Ana Wetherall-Grujić zeigt in „Das Baby ist nicht das verdammte Problem“, wie unsere Gesellschaft Gebärende im Regen stehen lässt – und ihnen dann noch ans Knie pisst.

 

 

LITERATUR

 

Auf der Suche nach Frauensolidarität seziert Gertraud Klemm in „Einzeller“ das, was vom Feminismus übriggeblieben ist. Solange wir uns als Einzeller gebärden, wird das nie etwas mit der Geschlechtergerechtigkeit.

 

Romina Pleschko zeichnet in „Offene Gewässer“ ein herrlich entlarvendes Bild der Gesellschaftsstrukturen in einer Kleinstadt und stellt ihr eine Heldin gegenüber, die mit allen Wassern gewaschen ist.

 

Was passiert, wenn ein Familienmitglied plötzlich auf Pflege angewiesen ist? Alina Lindermuth fängt in „Fremde Federn“ ein, was sonst im Verborgenen bleibt.

 

 

 

Hier die Vorschau zum Durchblättern:

 

 

Iris Blauensteiner ist für den Österreichischen Buchpreis nominiert!

Wir gratulieren Iris Blauensteiner zur Longlist-Nominierung für ihren zweiten Roman “Atemhaut”!

 

Die weiteren Nominierten sind:

  • Helena Adler – Fretten (Jung und Jung Verlag)
  • Markus Grundtner – Die Dringlichkeit der Dinge (Edition Keiper)
  • Monika Helfer – Bettgeschichten und andere (bahoe books)
  • Reinhard Kaiser-Mühlecker – Wilderer (S. Fischer Verlag)
  • Anna Kim – Geschichte eines Kindes (Suhrkamp Verlag)
  • Robert Menasse – Die Erweiterung (Suhrkamp Verlag)
  • Teresa Präauer – Mädchen (Wallstein Verlag)
  • Verena Roßbacher – Mon Chéri und unsere demolierten Seelen (Verlag Kiepenheuer & Witsch)
  • Thomas Stangl – Quecksilberlicht (Verlag Matthes und Seitz Berlin)

 

Shortlist Debüt:

  • Lena-Marie Biertimpel – Luftpolster (Leykam Verlag)
  • Sirka Elspaß – ich föhne mir meine wimpern (Suhrkamp Verlag)
  • Anna Maria Stadler – Maremma (Jung und Jung Verlag)

 

In einem weiteren Schritt wählt die Jury aus den Titeln der Longlist fünf Titel für die Shortlist des Österreichischen Buchpreises aus, die am 11. Oktober 2022 veröffentlicht wird.

Wir drücken Iris Blauensteiner die Daumen!

Wir trauern um Harald Jöllinger

 

Heute haben wir erfahren, dass unser Autor Harald Jöllinger plötzlich und unerwartet am 30. April verstorben ist.

Danke, lieber Harald, dass wir dich ein Stück begleiten durften. Deine stille Bedächtigkeit, dein für feinste Nuancen des (spezifisch österreichischen!) Zwischenmenschlichen sensibles Ohr und dein fantastischer, gnadenloser Humor, mit dem du deinen Zorn über die Ungerechtigkeiten des Lebens in sprachliche Feuerwerke verwandelt hast, leben nicht nur in allen weiter, die dir nahe (und weniger nahe) standen, sondern auch in allem, was du aufgeschrieben hast.

Wir werden dich furchtbar vermissen!

(Paul Maercker, Lektor)

 

Werter Harald, fast kann ich es nicht glauben, dass ich nie wieder ein Mail mehr von dir bekomm, so ein bisschen grantig-liebenswert, wie nur du das schreiben kannst, dass da keine Geschichten mehr kommen von dir, von den Ferdls und den Sonjas, den Gelsen und den Schnecks. Immer ein bisschen süß, liebenswert wie Marillen und sauer, grantig wie Sauerkraut. Jetzt kommt kein Mail mehr, kein “Werte Tanja”, kein Schmäh mehr, still ist es geworden, vielleicht so still, dass nicht mal Gelsen zu hören sind, weil es friedlich ist, dort, wo du bist, nicht mal der Zanussi surrt, so still ist es dort, aber du findest sicher was zu motschgern. Ich hebe ein Glas Marillenschnaps auf dich, hoffe, dass du ein schönes Bankerl gefunden hast, dass die Vögelchen singen und die Schnecken mit dir Yoga machen. Ich danke dir für deine Geschichten, für all die liebenswerten Mails, die meine Tage versüßt haben, deine grandiosen Auftritte, von denen ich gerne noch viel mehr gesehen hätte. Pfirti, werter Harald.

(Tanja Raich, ehemalige Programmleiterin Literatur)

 

“Zuerst habe ich gedacht, es hat mich erwischt, der Tinnitus. War aber nicht der Tinnitus, war mein Kühlschrank, er hat zuerst ganz sanft … Ganz leise, fast ein bisschen schüchtern. Jedenfalls, mein Kühlschrank hat zu singen begonnen. Es klingt ganz gut, zwar nur in Dur, aber er tröpfelt seine Kühlflüssigkeit sehr gekonnt ab. Sehr gekonnt und sehr melodisch.

Sprechen kann er nicht, der Kühlschrank. Nur singen kann er. Wenn er sprechen könnte, würde ich ihn wohl etwas fragen. Wie es ihm geht und wie er heißt. Aber so kann ihm nur sanft über den Türgriff streicheln. Auf der Tür vorne steht “Zanussi”. Das ist schön, viel schöner als “Bosch” oder “Siemens.” Mein Zanussi.”

(Zitat: Harald Jöllinger)

Theater trifft Fußball

Tonio Schachingers “Nicht wie ihr” im Theater!

Premiere: Mittwoch, 4.5.2022 Vereinsheim SG Wattenscheid 09

Tonio Schachingers Debütroman über den Profifußballer Ivo Trifunović begeisterte Kritiker und Publikum gleichermaßen. Gespickt mit Wiener Milieusprache und treffenden Fußballmetaphern, bietet der Roman scharfsinnige Einblicke in das Schauspiel des Profisports und entlarvt seine Spieler als Schachfiguren auf einem kapitalistischen Spielfeld.

weitere Termine:

Freitag, 13.5. im deutschen Fußballmuseum im Anschluss gibt es ein Publikumsgespräch

Dienstag, 17.5. DJK TuS Hordel 1911 e. V.

Mittwoch, 18.5. Concordia Wiemelhausen

Mehr Informationen finden Sie hier.

Foto: Dirk Siba

Gertraud Klemm erhält Anton-Wildgans Preis

Die Schriftstellerin Gertraud Klemm erhält den von der österreichischen Industrie gestifteten „Literaturpreis der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans“ 2022!

Der mit 15.000 Euro dotierte Preis wird bereits seit 1962 von einer unabhängigen Jury vergeben, am 26. September wird er durch den Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, im Wiener Haus der Industrie überreicht.

Die Jury begründet die Auswahl für die diesjährige Auszeichnung wie folgt:

„Gertraud Klemm analysiert in ihren Romanen und Essays die beharrlich gleichen sozialen Fragen unserer sich verändernden Gesellschaft ohne Scheu vor Konfrontationen. Ihr scharfer Blick führt den Lesenden die Aktualität ungelöster alter Problematiken in einer lebendigen, präzisen Sprache, der auch das Spiel mit Humor nicht fremd ist, meisterlich vor Augen.“ 

Die unabhängige Jury des „Literaturpreises der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans“ setzt sich aus Prof. Marianne Gruber (Ehrenpräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Literatur), Univ.-Prof. Dr. Johann Holzner (vorm. Leiter des Brenner-Archivs an der Universität Innsbruck) und Barbara Neuwirth (Schriftstellerin) zusammen. Der Preis wird auf Vorschlag der unabhängigen Jury einer Schriftstellerin oder einem Schriftsteller der jüngeren oder mittleren Generation mit österreichischer Staatsbürgerschaft verliehen, „dessen oder deren Werk von hervorragender Relevanz für die literarische und gesellschaftliche Korrelation unserer Zeit ist“. Er gehört zu den renommiertesten österreichischen Literaturpreisen. Unter den Preisträgerinnen und Preisträgern befinden sich eine Reihe von prominenten Autorinnen und Autoren der Zweiten Republik wie Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Michael Köhlmeier, Arno Geiger, Sabine Gruber, Olga Flor, Robert Seethaler, Erich Hackl, Sabine Scholl, Daniel Kehlmann, Reinhard Kaiser-Mühlecker und zuletzt Andrea Grill. 

Mehr Informationen: www.iv.at/medien

Herbstprogramm 2022

Unser Alltag ist oft voll weiter Täler, tiefer Schluchten und herausfordernder Steigungen. Wenn Ihnen also ab und an ein bisschen schwindlig wird im Windkanal der Gegenwart, laden wir Sie ein auf unsere Bücherbrücken und Aussichtsplattformen – mit Überblick wird vieles klarer. Auf viele leichte Brisen und Leseerlebnisse mit Weitsicht im Herbst 2022.

 

SACHBUCH 

 

  • Die Fluchtforscherin Judith Kohlenberger liefert in ihrem neuen Buch „Das Fluchtparadox“ eine detaillierte Analyse unseres Umgangs mit Vertreibung und Vertriebenen und zeigt, wie wir zu einer menschlichen Asyl- und Integrationspolitik kommen können.

 

 

 

 

  • Es rumort auf dem Arbeitsmarkt. Junge Menschen fordern selbstbewusst ein wertschätzendes Betriebsklima und Teilzeitstellen. Lena Marie Glaser setzt sich in Arbeit auf Augenhöhe“ mit dem Konzept der New Work auseinander.

 

  • In „Zwei Grüne Leben“ entfaltet sich anhand der Lebenswege von Heinrich und Ulrike Lunacek ein Panorama der österreichischen Wirtschafts- und Umweltpolitik der Nachkriegszeit bis heute – und wirft einen Blick auf die Herausforderungen von morgen.

 

 

  • Vivian Mary Pudelko erzählt in „Darf ich das?“, wie Selbstfürsorge im Alltag gelingt und ermutigt mit einer extra Portion positivem Denken und Optimismus dazu, unerschrocken zu erkunden, was wir wirklich brauchen.

 

  • „Salz & Österreich“: Alfred Komarek nimmt seine Leser*innen mit auf Streifzüge durch ein Land, in dem Spuren von Salz fast überall zu finden sind und verwandelt das äußerlich unscheinbare Mineral in einen bunt schillernden, literarischen Diamanten.

 

  • Reisen wie die Könige, Diven und Spione: „Monsieur Orient-Express“ von Gerhard J. Rekel erzählt die faszinierende Geschichte des Erfinders des berühmtesten Zugs der Welt, dem es gelang politische Grenzen zu überwinden und Welten zu verbinden.

 

ÜBERMORGEN: Die Essay-Reihe  

 

  • Zaster, Moneten, Knete: Über Geld redet man nicht, man hat es. Oder? Als Erbin eines beträchtlichen Vermögens redet Marlene Engelhorn über „Geld“ – und besteht darauf, dass wir alle es tun. Ein klarsichtiges Plädoyer für eine nachhaltige Umverteilungspolitik.

 

 

LITERATUR 

 

  • In Die Kuratorinerzählt Norbert Kröll von der Karrierefrau Regina, die rücksichtlos ihren Weg geht. Als sie schwanger wird, gerät ihre Welt aus den Fugen. Eine Satire auf den Kunst- und Kulturbetrieb, die provokant weibliche und männliche Rollenzuschreibungen infrage stellt.

 

  • Eindrucksvolles Debüt – ein Generationenroman, unmittelbar und bewegend. Bettina Scheiflinger schreibt in Erbgut übers Fremdsein: an einem Ort, in einer Rolle, im eigenen Körper. Wie löst man sich vom unsichtbaren Erbe der Vorfahren?

 

  • Eintauchen in die Musik der 90er – Eurodance als Lebensgefühl der Millennials. Maria Muhar lässt die Figuren ihres vielschichtigen Debütromans Lento Violento“ tief in existenzielle Abgründe blicken, ohne dabei auf eine kräftige Portion Humor zu verzichten.

 

Hier die Vorschau zum Durchblättern:

 

Wussten Sie, dass…

· … auch Bio-Bauern Pestizide versprühen? (1,2) In Österreich entfielen im Jahr 2020 43 Prozent der verkauften Menge an Pestizid-Wirkstoffen auf solche, die offiziell in der Bio-Landwirtschaft zugelassen sind. Bio-Bauern schützen die Ernten von Erdäpfeln, Weinreben, Obst und Gemüse vor Pilzkrankheiten und Insekten mit Hilfe spezieller Bio-Pestizide. Zu ihnen gehören das Schwermetall Kupfer oder der „Bienenkiller“ Spinosad.

· … die Hälfte der Menschheit ohne „Kunstdünger“ nicht am Leben wäre? (3) Das chemische Synthese-Verfahren, mit dem natürlicher Stickstoff aus der Luft in mineralischen Dünger umgewandelt wird, machte enorme Ertragssteigerungen möglich – vor allem seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Seinen beiden Erfindern, Fritz Haber und Carl Bosch, bescherte es je einen Nobelpreis. Wissenschaftler haben errechnet, dass annähernd jeder Zweite Erdenbewohner sein Leben dieser Erfindung verdankt.

· … dass wir Gentechnik längst auf unsren Tellern haben? (4) Weltweit sind mehrere tausend Pflanzensorten zugelassen, die auf zufälligen, mittels Radioaktivität oder chemischer Behandlung hervorgerufenen Mutationen beruhen. Das Verfahren nennt sich „Mutagenese“ und bei entsprechenden Pflanzen handelt es sich – laut einem Gerichtsentscheid des EuGHs von 2018 – um gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Da sie allerdings von den strengen Zulassungs- und Kennzeichnungsverpflichtungen „klassischer“ Gentechnik-Züchtungen ausgenommen sind, gibt es sie ganz legal auch mit Bio- oder „Ohne Gentechnik“-Label.

· … Moore für das Weltklima viel wertvoller sind als Wälder? (5,6) Obwohl Moore nur 3 Prozent der globalen Landfläche bedecken, speichern sie mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde zusammen – die auf rund 30 Prozent der Landflächen wachsen. Anders formuliert: Ein Hektar Moor speichert im globalen Durchschnitt 6-mal so viel Kohlenstoff wie ein Hektar Wald. Ihr Schutz vor Umwandlung zu Ackerflächen und ihre Wiederherstellung gehören zu den wichtigsten Maßnahmen des Klimaschutzes.

· … der Transport nur einen geringen Teil der Klimabilanz unserer Lebensmittel ausmacht? (7) Zwar spricht vieles für regional produzierte Lebensmittel, und mit dem Flugzeug gereiste Spargel oder Erdbeeren sollte man tatsächlich vermeiden. Aber dennoch wird die Auswirkung der Transportkilometer auf die Klimabilanz häufig stark überschätzt. Bei einem durchschnittlichen, innerhalb der EU verzehrten Lebensmittel, verursacht der Transport gerade einmal 6 Prozent der damit verbundenen Treibhausgase. Viel mehr steuern Landnutzung oder die Verwendung von Düngern bei. Die Art des Lebensmittels (z.B. Fleisch oder Hülsenfrüchte) ist für das Klima daher wesentlich entscheidender als die Reise, die es möglicherweise hinter sich hat.

· … die Zahl der Honigbienenvölker stetig wächst? (8) Honigbienen gehören laut Experten zu den am wenigsten bedrohten Arten der Welt. Der Grund: es handelt sich um Nutztiere, die von den Imkern umsorgt und über den Winter gefüttert werden. 426.000 Bienenvölker gab es in Österreich im Jahr 2020, am Tiefstand 2006 waren es etwas mehr als 310.000. Auch global betrachtet spricht die Statistik der FAO eine eindeutige Sprache: Die Zahl der Bienenstöcke hat sich seit Beginn der 1960-er Jahre bis heute annähernd verdoppelt. Anders bei den Wildbienen. Hier gibt es starke Hinweise auf eine Bedrohung durch Lebensraumverlust, Nahrungsmangel und andere Umweltprobleme.

· … Koffein rund 13-mal giftiger ist als Glyphosat? (9) Koffein ist ein natürliches Pestizid und Nervengift, das der Kaffeestrauch in seinen Samen einlagert. Frisst ein Insekt am frischen Kaffeekeimling, wird es durch Koffein gelähmt oder getötet. Der so genannte LD50-Wert, ein Maß für die akute Giftigkeit, beträgt für Koffein 368 mg/kg Körpergewicht, für Glyphosat 4870 mg/kg. Das bedeutet, dass die Dosis, die im Tierversuch 50 Prozent der Tiere tötet, bei Glyphosat 13-mal größer ist als bei Koffein.

· … mehr als 150 Nobelpreisträger Greenpeace ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorwerfen? (10) Im Jahr 2016 wandten sich 158 lebende Nobelpreisträger in einem offenen Brief mit der dringlichen Aufforderung an Greenpeace, die Opposition gegenüber der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung aufzugeben. Gentechnik sei so sicher, wenn nicht sogar sicherer als herkömmliche Züchtung und helfe, Menschen nachhaltiger zu ernähren. Die Haltung von Greenpeace sei allein auf Gefühlen und Dogma begründet.

 

“Landverstand” von Timo Küntzle ist ab dem 24. März überall erhältlich!

 

1) Quelle: Grüner Bericht 2021, Seite 17

2) Vgl. etwa: Julius-Kühn-Institut, dt. Bundesforschungsinstitut f. Kulturpflanzen

3) Vgl.: ourworldindata.com: How many people does synthetic fertilizer feed?

4) Vgl. transgen.de: Wo ohne Gentechnik draufsteht, darf etwas Gentechnik drin sein

5) Quelle: Greifswald Moor Centrum, greifswaldmoor.de: Warum Moore so wichtig sind

6) Quelle: Vgl. Parish et al., 2008: Assessment on peatlands, biodiversity and climate change. Global Environment Centre, Kuala Lumpur and Wetlands International Wageningen, Seite 99

7) Vgl. ourworldindata.com: The carbon footprint of EU diets: where do emissions come from?

8) Quelle: BMLRT: Gesunde Bienen: Wieder mehr als 400.000 Bienenvölker

9) Quelle: GESTIS-Stoffdatenbank

10) Quelle: supportprecisionagriculture.org (2016): Laureates Letter Supporting Precision Agriculture (GMOs)

Autor im Interview: Mario Schlembach

Dein Protagonist und du, ihr habt denselben Beruf: Totengräber. Was fasziniert dich an dieser Tätigkeit?
Am Ende des Tages wohl einfach die Routine. Das immerwährende Sujet des Grabens, während ringsherum das Leben stattfindet. Ein Loch ausheben. Ein Loch zuschütten. Der Vergänglichkeit zuarbeiten. Ähnlich wie es Albert Camus in seinem „Mythos des Sisyphos“ beschrieben hat. Statt eines Steins rolle ich eben Särge. Und nicht zuletzt das simple Gefühl, etwas geleistet zu haben, nicht nur für sich selbst. Seit mein Papa mit dieser Arbeit begonnen hat, als ich ein Kind war, ist sie auch irgendwie Teil von mir selbst geworden. Um es mit meinem dramagebeutelten Protagonisten zu sagen, vielleicht sogar eine Berufung. Und so wie sich die Begräbnissituation gerade entwickelt, gehöre ich möglicherweise der letzten Totengräbergeneration überhaupt an, worin auch so etwas wie Poesie liegt. Der Totengräber stirbt ja aus.

Wie viele Gräber gräbt der Protagonist im Laufe des Romans?
Für jede gescheiterte Liebe eines. Vielleicht sogar mehr. Poetisch gesprochen. Rein praktisch: ca. 30 – wenn der Roman ein Jahr umspannt.

Friedhöfe sind …?
… Orte der Kontemplation. Bei Reisen besuche ich meist gleich den Friedhof, um irgendwie anzukommen – Ruhe zu finden, wo Zeit keine Rolle mehr spielt. Und literarisch betrachtet bieten Friedhöfe einen unendlichen Schatz an Lebensgeschichten.

Welche Rolle spielt Einsamkeit in deinem Roman?
Mein Protagonist gehört eher zum Typus: Krustentier. Es fällt ihm unheimlich schwer, eine Sprache zu finden, um seine Gefühle verständlich zu machen, und so zieht er sich immer weiter in sich selbst zurück, bis er eine Welt in sich geschaffen hat, die die da draußen nicht mehr braucht und sich wie ein Perpetuum mobile aus Erinnerungen und Vergangenem nährt. Der Roman, und alles was mit dem Protagonisten darin passiert, ist im besten Fall ein Aufbrechen dieser Schale, um zu sehen, was dann passiert.

Der Roman liest sich wie ein Tagebuch. Wieso hast du diese Form gewählt?
Die Form hat eher mich gewählt. Ich bin ein begeisterter Leser von Autobiographien, Briefen und Tagebüchern – quasi jeder Art von Selbstdarstellung. Für den Roman wollte ich zum Ursprung des Schreibens zurück und mich soweit wie möglich dort hineingraben – also hin zu den Momenten, bevor das Schreiben zur Literatur wird. Letztlich hat mich auch einfach die Frage interessiert: Wie lässt sich in einer überinszenierten Welt, in der jede Handlung schon Selbstdarstellung ist, sein eigenes Leben als Kitschroman deuten?

Wie setzt du die Grenzen des autofiktionalen Erzählens?
Die Grenze habe ich für mich bewusst aufgehoben, weil jedes Erzählen bereits ein fiktionaler Prozess ist. So heißt es etwa im Roman: „Authentizität ist ein Mythos für Menschen ohne Vorstellungskraft.“ Umgelegt auf den Schauspieljargon würde ich eher von einem „Method-Writing“ sprechen.

Im Roman ist zu lesen: „Das Ich möchte Wurzeln schlagen, aber die Sprache bleibt Treibsand.“ Welches Verhältnis hat der Protagonist zur Sprache?
Einerseits hätte mein Protagonist ohne Sprache seinen letzten Rettungsanker im Leben verloren. Die täglichen Notizen geben ihm Halt, wobei sie ihn andererseits am Weitergehen hindern. Zentraler Konflikt ist hier, dass er mit dem Erwachen seiner ersten Liebe zu schreiben begonnen hat und jetzt ständig alte Wunden aufkratzt. Gibt es eine Sprache für ihn ohne diese Liebe oder muss er schweigen?


Was bedeutet A. für den Protagonisten?
In jemand anderem sich selbst zu finden. Mein Protagonist lernt A. kennen, noch bevor er weiß, wer er ist oder sich auch nur irgendwelche Gedanken darüber gemacht hätte. Sein Ich erwächst aus der Liebe zu A. – ohne zu sehen, welcher Mensch ihm da gegenübersitzt. Bevor er das versteht, ist A. verschwunden und sie bleibt unbändige Sehnsucht – Unabgeschlossenes, das er nicht loslassen kann und in allen anderen Frauen zu suchen beginnt.

Lässt sich Liebeskummer von der Seele schreiben?
Akut definitiv nicht. Als Teil des Prozesses schon. Vor allem das Tagebuchschreiben bleibt ja immer ein Selbstgespräch, und ohne den Blick von außen kann es schnell zu einem Suhlen in den Eigensäften werden. Gleich wie bei der Trauerarbeit ist das Loslassen erst möglich, wenn der Blick wieder nach vorne gerichtet wird. Meist sind dafür andere Menschen und das Ausbrechen aus Gewohnheiten unabdingbar.

Welche Autor*innen bzw. welche Bücher haben dein Schreiben beeinflusst?
Für „heute graben“ die Tagebücher von Franz Kafka. Der Alltagston, der dort angeschlagen wird, in Verbindung mit literarischen Wunderstücken, hat mich immer fasziniert. „Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. Nachmittag Schwimmschule“, heißt es darin etwa, was den Kampf eines Subjekts im Wahnsinn seiner Zeit widerspiegelt. Hier entstehen Brüche in der Sprache, die in anderen Gattungen so kaum möglich sind. Und Thomas Bernhard war für mich als Autor relevant, weil ich mich während des Studiums so sehr in sein Werk und Leben vertieft habe, bis, aus irgendeinem absurden Zufall heraus, ich mit derselben Lungenkrankheit wie er diagnostiziert wurde und wir plötzlich zu Leidensgenossen wurden. Die Auseinandersetzung mit dieser Krankheit hat mir letztlich auch den Rahmen für meinen Roman geliefert. Fern von diesen zwei Autoren waren es dann hauptsächlich die Liebesschinken, die meine Mama jeden Morgen zum Frühstückskaffee las, bevor ich in die Schule musste.

Blunzengröstl, Schnitzel und Bier. Typisch Totengräber oder typisch Österreicher?
Typisch österreichische Wirtshauskultur und Omas Kochkünste. Die Menüauswahl beim Leichenschmaus ist ja leider eher monothematisch.

Heute graben, morgen …?
… ein bisserl leben vielleicht.

Vielen Dank!

Wien, 26.01.22 / Das Interview führte Roxana Höchsmann